Pankreas
Lancet Gastroenterol Hepatol. 2024;9(3):205–17
Neoadjuvant FOLFIRINOX versus upfront surgery for resectable pancreatic head cancer (NORPACT-1): A multicenter, randomized, phase 2 trial
Neoadjuvante Chemotherapie mit FOLFIRINOX oder unmittelbare Operation bei resektablem Pankreaskopfkarzinom (NORPACT-1): eine multizentrische, randomisierte Phase-II-Studie
Bei Patient*innen mit Pankreaskarzinom verbessert sich nach einer Resektion durch eine adjuvante Behandlung mit modifiziertem 5-Fluorouracil, Leucovorin, Irinotecan und Oxaliplatin (FOLFIRINOX) das Gesamtüberleben im Vergleich zu alternativen Chemotherapieschemata. Im Rahmen dieser Studie (NORPACT-1) sollte die Wirksamkeit und Sicherheit einer neoadjuvanten FOLFIRINOX-Therapie mit der Standardstrategie einer unmittelbaren Operation bei Patient*innen mit resektablem duktalem Adenokarzinom des Pankreas verglichen werden. Die multizentrische, randomisierte Phase-II-Studie wurde in 12 Zentren in Dänemark, Finnland, Norwegen und Schweden durchgeführt. Eingeschlossen wurden Patient*innen ≥ 18 Jahre mit einem WHO-Leistungsstatus von 0 oder 1 und resektablem Tumor des Pankreaskopfes, bei dem radiologisch der dringende Verdacht auf das Vorliegen eines Adenokarzinoms bestand. Patient*innen wurden bis Oktober 2018 im Verhältnis 3:2 und danach 1:1 randomisiert und erhielten eine neoadjuvante FOLFIRINOX-Therapie oder eine unmittelbare Operation. Patient*innen in der neoadjuvanten FOLFIRINOX-Gruppe erhielten 4 Zyklen FOLFIRINOX (Oxaliplatin 85 mg/m², Irinotecan 180 mg/m², Leucovorin 400 mg/m² und Fluorouracil 400 mg/m² als Bolus, dann 2400 mg/m² über 46 Stunden an Tag 1 jedes 14-tägigen Zyklus), gefolgt von einer Operation und einer adjuvanten Chemotherapie. Die Patient*innen in der unmittelbaren Operationsgruppe wurden operiert und erhielten anschließend eine adjuvante Chemotherapie. Ursprünglich bestand die adjuvante Chemotherapie aus Gemcitabin plus Capecitabin (Gemcitabin 1000 mg/m² über 30 Minuten an den Tagen 1, 8 und 15 eines jeden 28-tägigen Zyklus und Capecitabin 830 mg/m² zweimal täglich über 3 Wochen mit 1 Woche Pause in jedem 28-tägigen Zyklus). Adjuvant wurden 4 Zyklen in der neoadjuvanten FOLFIRINOX-Gruppe bzw. 6 Zyklen in der unmittelbar operierten Gruppe verabreicht. Im Verlauf der Studie wurde die adjuvante Therapie auf ein modifiziertes FOLFIRINOX-Protokoll umgestellt (Oxaliplatin 85 mg/m², Irinotecan 150 mg/m², Leucovorin 400 mg/m² und Fluorouracil 2400 mg/m² über 46 Stunden am Tag 1 jedes 14-tägigen Zyklus; geplant wurden 8 Zyklen in der neoadjuvanten FOLFIRINOX-Gruppe bzw. 12 Zyklen in der Gruppe mit unmittelbarer Operation). Patienten*innen, Prüfärztinnen und -ärzte und Mitglieder des Studienteams waren hinsichtlich der Behandlung nicht verblindet. Der primäre Endpunkt war das Gesamtüberleben nach 18 Monaten. Die Analysen wurden in der Intention-to-Treat(ITT)- und der Per-Protocol-Population durchgeführt. Die Sicherheit wurde bei allen Patient*innen bewertet, die randomisiert worden waren und mindestens 1 Zyklus der neoadjuvanten oder adjuvanten Therapie erhalten hatten. Zwischen Februar 2017 und April 2021 wurden 77 Patient*innen für eine neoadjuvante FOLFIRINOX-Behandlung und 63 Patient*innen für die unmittelbare Operation randomisiert. 61 von 77 Patient*innen (79%) im neoadjuvanten Therapiearm erhielten eine FOLFIRINOX-Therapie. Der Anteil der Patient*innen, die nach 18 Monaten (ITT-Analyse) noch am Leben waren, betrug 60% (95% Konfidenzintervall [CI]: 49–71) in der neoadjuvanten FOLFIRINOX-Gruppe gegenüber 73% (95% CI: 62–84) in der unmittelbar operierten Gruppe (p = 0,032). Die mediane Gesamtüberlebenszeit in der ITT-Population betrug 25,1 Monate (95% CI: 17,2–34,9) gegenüber 38,5 Monaten (27,6–nicht erreicht; Hazard-Ratio [HR] = 1,52; 95% CI: 1,00–2,33], Log-rank-Test p = 0,050). Der Anteil der überlebenden Patient*innen nach 18 Monaten betrug in der Per-Protocol-Analyse 57% (95% CI: 46–67) unter neoadjuvantem FOLFIRINOX gegenüber 70% (95% CI: 55–83) in der unmittelbar operierten Gruppe (p = 0,14), und die mediane Gesamtüberlebenszeit in der Per-Protocol-Population betrug 23,0 Monate (95% CI: 16,2–34,9) gegenüber 34,4 Monaten (19,4–nicht erreicht; HR = 1,46; 95% CI: 0,99–2,17], Log-rank p = 0,058). In der Sicherheitspopulation hatten 42 von 73 Patient*innen (58%) in der neoadjuvanten FOLFIRINOX-Gruppe und 19 von 47 Patient*innen (40%) mit unmittelbarer Operation mindestens 1 unerwünschtes Ereignis ≥ Grad 3. 63 von 77 Patient*innen (82%) in der neoadjuvanten Gruppe und 56 von 63 Patient*innen (89%) in der unmittelbar operierten Gruppe wurden reseziert (p = 0,24). Ein plötzlicher Todesfall unbekannter Ursache und ein COVID-19-assoziierter Todesfall traten nach dem ersten Zyklus der neoadjuvanten FOLFIRINOX-Behandlung auf. Eine adjuvante Chemotherapie wurde bei 51 von 59 Patient*innen (86%) mit reseziertem duktalem Adenokarzinom in der neoadjuvanten FOLFIRINOX-Gruppe und bei 44 von 49 Patient*innen (90%) mit unmittelbar operiertem Tumor eingeleitet (p = 0,56). Adjuvantes modifiziertes FOLFIRINOX erhielten 13 Patient*innen (25%) in der neoadjuvanten FOLFIRINOX-Gruppe und 19 Patient*innen (43%) in der unmittelbar operierten Gruppe. Während der adjuvanten Chemotherapie war eine Neutropenie die häufigste Nebenwirkung mit einem Schweregrad ≥ 3.
In dieser Phase-II-Studie (NORPACT-1) konnte kein Überlebensvorteil einer neoadjuvanten FOLFIRINOX-Therapie im Vergleich zu einer unmittelbaren Operation bei resektablen duktalen Adenokarzinomen des Pankreaskopfes belegt werden. Die Etablierung einer neoadjuvanten FOLFIRINOX-Therapie war eine Herausforderung. Künftige Studien zu Therapiealgorithmen bei resektablen Pankreaskarzinomen sollten sich an Biomarkern orientieren.