Dickdarm bis Rektum

N Engl J Med. 2024;390(21):1949–58

Neoadjuvant immunotherapy in locally advanced mismatch repair-deficient colon cancer

Chalabi M, Verschoor YL, Tan PB, Balduzzi S, Van Lent AU, Grootscholten C, Dokter S, Büller NV, Grotenhuis BA, Kuhlmann K, Burger JW, Huibregtse IL, Aukema TS, Hendriks ER, Oosterling SJ, Snaebjornsson P, Voest EE, Wessels LF, Beets-Tan RG, Van Leerdam ME, Schumacher TN, van den Berg JG, Beets GL, Haanen JB

Neoadjuvante Immuntherapie bei lokal fortgeschrittenem Mismatch-Reparatur-defizientem Kolonkarzinom


Hintergrund: Tumoren mit Mismatch-Reparatur-Defizienz (dMMR) treten bei 10–15% der Patient*innen mit nicht-metastasiertem Kolonkarzinom auf. Bei diesen Patient*innen ist die Wirksamkeit der Chemotherapie eingeschränkt. Die Anwendung einer neoadjuvanten Immuntherapie hat vielversprechende Ergebnisse gezeigt, wobei die Datenlage aus Studien zu diesem Ansatz noch dünn ist.
Methoden: Die Autor*innen führten eine Phase-II-Studie durch, in der Patient*innen mit nicht-metastasiertem, lokal fortgeschrittenem, nicht vorbehandeltem dMMR-Kolonkarzinom eine neoadjuvante Therapie mit Nivolumab plus Ipilimumab erhielten. Die 2 primären Endpunkte waren Sicherheit, definiert als zeitnahe Operation (d. h. Verschiebung der geplanten Operation um ≤ 2 Wochen aufgrund Therapie-assoziierter toxischer Ereignisse), und ein krankheitsfreies Überleben von 3 Jahren. Zu den sekundären Endpunkten zählten ein pathologisches Ansprechen sowie die Ergebnisse von Genomanalysen.
Ergebnisse: Von 115 eingeschlossenen Patient*innen wurden 113 (98%; 97,5% Konfidenzintervall [CI]: 93–100) zeitnah operiert; bei 2 Patient*innen wurde die Operation um mehr als 2 Wochen verschoben. Immunologische Nebenwirkungen des Grades 3 oder 4 traten bei 5 Patient*innen (4%) auf. Es gab keine Therapieabbrüche aufgrund von Nebenwirkungen. Von den in die Wirksamkeitsanalyse eingeschlossenen 111 Patient*innen wurde bei 109 (98%; 95% CI: 94–100) ein pathologisches Ansprechen beobachtet, darunter bei 105 (95%) ein starkes pathologisches Ansprechen (definiert als ≤ 10% vitaler Resttumor) und bei 75 (68%) ein komplettes pathologisches Ansprechen (0% vitaler Resttumor). Bei einer medianen Nachbeobachtungszeit von 26 Monaten (Bereich: 9–65) kam es zu keinen Rezidiven.

Schlussfolgerungen: Bei Patient*innen mit lokal fortgeschrittenem Mismatch-Reparatur-defizientem Kolonkarzinom zeigte die neoadjuvante Therapie mit Nivolumab plus Ipilimumab ein akzeptables Sicherheitsprofil und führte bei einem Großteil der Patient*innen zu einem pathologischen Ansprechen.

M. Chalabi, Department of Gastrointestinal Oncology, Netherlands Cancer Institute, Amsterdam, Niederlande, E-Mail: m.chalabi@nki.nl

DOI: 10.1056/nejmoa2400634

Expertenmeinung

Prof. Dr. Michael Quante
Leiter Gastrointestinale Onkologie, Klinik für Innere Medizin II, Universitätsklinikum Freiburg

Neoadjuvante Immuntherapie bei Kolonkarzinom – MSI-Status testen!

Immun-Checkpoint-Inhibitoren haben eine Wirksamkeit bei Patient*innen mit Mikrosatelliteninstabilität (MSI) bzw. Mismatch-Reparatur-defizientem (dMMR) metastasiertem kolorektalem Karzinom gezeigt, was in einer verbesserten progressionsfreien Überlebenszeit resultiert. dMMR-Tumoren treten bei etwa 8–15% der Patient*innen mit nicht-metastasiertem kolorektalem Karzinom auf. In dieser Subgruppe zeigt die Chemotherapie eine eingeschränkte Wirksamkeit. Selbst mit adjuvanter Chemotherapie haben Patient*innen mit dMMR-Tumoren, insbesondere solche im Stadium T4 oder mit Lymphknotenbefall, ein hohes Rezidivrisiko.

Die Phase-II-Studie NICHE-2 aus dem Netherlands Cancer Institute untersuchte die Sicherheit und Wirksamkeit einer neoadjuvanten Immuntherapie bei Patient*innen mit lokal fortgeschrittenem dMMR-Kolonkarzinom. Die Teilnehmer*innen erhielten eine Einzeldosis des CTLA4-Inhibitors Ipilimumab und 2 Dosen des PD1-Inhibitors Nivolumab, gefolgt von einer Operation innerhalb von 4 Wochen. Von den 115 eingeschriebenen Patient*innen unterzogen sich 98% (97,5% Konfidenzintervall [CI]: 93–100) planmäßig der Operation. In der Wirksamkeitsanalyse von 111 Patient*innen zeigten 98% (95% CI: 94–100) eine pathologische Response, wobei 95% eine major pathologische Response und 68% eine vollständige pathologische Response erreichten. Keine Patient*innen brachen die Behandlung aufgrund von Nebenwirkungen ab, und nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 26 Monaten wurde kein Krankheitsrückfall beobachtet.

Obwohl diese Ergebnisse darauf hindeuten, dass die neoadjuvante Therapie mit Nivolumab und Ipilimumab eine neue Behandlungsoption für Patient*innen mit lokal fortgeschrittenem dMMR-Kolonkarzinom darstellt, reichen sie derzeit nicht aus, um diese Therapie als Standardbehandlung für alle Patient*innen mit frühem dMMR-Kolonkarzinom zu etablieren. Eine chirurgische Resektion allein ist bei den meisten Patient*innen mit dMMR im Stadium II kurativ, und eine adjuvante Therapie wird hauptsächlich für Patient*innen im Stadium III empfohlen. Eine genaue präoperative Stadieneinteilung von dMMR-Kolonkarzinomen ist allerdings erschwert, da Tumoren mit Mikrosatelliteninstabilität häufig mit vergrößerten Lymphknoten assoziiert sind, die durch Immuninfiltration bedingt sind, was zu einer möglichen Überbehandlung führen könnte. Dies ist relevant, da 11% der Patient*innen langfristige endokrine Funktionsstörungen entwickeln, obwohl die Inzidenz von Nebenwirkungen der Grade 3 oder 4 durch Immun-Checkpoint-Inhibitoren in dieser Studie insgesamt bei nur 4% lag.

Eine randomisierte Studie, die neoadjuvante Immuntherapie plus Operation mit alleiniger Operation oder Operation gefolgt von adjuvanter Immuntherapie bei Patient*innen mit Lymphknotenbefall vergleicht, würde helfen, das Verhältnis von Risiko und Nutzen besser zu verstehen. Die wichtigste Erkenntnis bleibt jedoch die Notwendigkeit, bei allen Patient*innen mit Kolonkarzinom den MMR-/MSI-Status zu testen, um im fortgeschrittenen Stadium eine gezielte Therapie zu ermöglichen.

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