Ösophagus bis Dünndarm

Gut. 2024;73(7):1124–30

New entity of adult ultra-short coeliac disease: The first international cohort and case-control study

Raju SA, Greenaway EA, Schiepatti A, Arpa G, Vecchione N, Jian CLA, Grobler C, Maregatti M, Green O, Bowker-Howell FJ, Shiha MG, Penny HA, Cross SS, Ciacci C, Rostami K, Ahmadipour S, Moradi A, Rostami-Nejad M, Biagi F, Volta U, Fiorentino M, Lebwohl B, Green PHR, Lewis S, Molina-Infante J, Mata-Romero P, Vaira V, Elli L, Soykan I, Ensari A, Sanders DS

Neue Entität der ultrakurzen Zöliakie bei Erwachsenen: die erste internationale Kohorten- und Fallkontrollstudie


Hintergrund: Die ultrakurze Zöliakie (ultra-short coeliac disease, USCD) ist definiert als auf die Zwölffingerdarmbirne (D1) beschränkte villöse Atrophie bei gleichzeitigem serologischem Nachweis einer Zöliakie. Die Autor*innen stellen hier die erste internationale, multizentrische Studie zu Patient*innen mit USCD vor.
Methoden: Die Patient*innen mit USCD wurden in 10 Krankenhäusern der Tertiärversorgung (6 in Europa, 2 in Asien, 1 in Nordamerika und 1 in Australasien) identifiziert und mit nach Alter und Geschlecht gematchten Patient*innen mit herkömmlicher Zöliakie verglichen.
Erkenntnisse: Die Patient*innen mit USCD (n = 137, medianes Alter: 27 Jahre, Interquartilenabstand [IQR]: 21–43 Jahre; 73% weiblich) waren jünger als jene mit herkömmlicher Zöliakie (27 vs. 38 Jahre, p < 0,001). Die Titer der Immunglobulin-A(IgA)-Antikörper gegen Gewebstransglutaminase (tTG-IgA) bei der Index-Gastroskopie waren bei einer USCD niedriger als bei der herkömmlichen Zöliakie (1,8 x Obergrenze des Normalbereichs [upper limit of normal, ULN] [IQR: 1,1–5,9] vs. 12,6 x ULN [IQR: 3,3–18,3], p < 0,001). Die Patient*innen mit USCD wiesen insgesamt die gleiche Anzahl an Symptomen auf (Median: 3 [IQR: 2–4] vs. 3 [IQR: 1–4], p = 0,875). Eisenmangel trat bei Patient*innen mit USCD seltener auf (41,8% vs. 22,4%, p = 0,006). Bei der USCD und der herkömmlichen Zöliakie wiesen die intraepithelialen Lymphozyten das gleiche immunphänotypische Färbemuster auf: positiv für CD3 und CD8, nicht aber für CD4. Bei der Nachbeobachtung zeigte sich nach Umstellung auf eine glutenfreie Ernährung (Median: 1181 Tage, IQR: 440–2160 Tage) sowohl bei den Patient*innen mit USCD als auch in der nach Alter und Geschlecht gematchten Kontrollgruppe eine vergleichbare Reduktion des tTG-IgA-Titers (0,5 ULN [IQR: 0,2–1,4) vs. 0,7 ULN [IQR: 0,2–2,6], p = 0,312). Bei 95,7% der Patient*innen mit USCD kam es zu einer klinischen Verbesserung der Symptome.

Interpretation: Patient*innen mit ultrakurzer Zöliakie sind jünger, weisen eine ähnliche Symptomlast auf und profitieren von einer glutenfreien Ernährung. Diese Studie unterstützt die Empfehlung, im Rahmen der endoskopischen Diagnostik der Zöliakie auch Proben aus der Zwölffingerdarmbirne zu entnehmen.

S.A. Raju, Academic Unit of Gastroenterology, Sheffield Teaching Hospitals NHS Foundation Trust, Sheffield, Großbritannien, E-Mail: suneilraju@gmail.com

DOI: 10.1136/gutjnl-2023-330913

Expertenmeinung

Prof. Dr. Peter Hasselblatt
Klinik für Innere Medizin II, Universitätsklinikum Freiburg

Ultrakurze Zöliakie – eine neue klinische Entität?

Die sogenannte ultrakurze Zöliakie beschreibt eine Krankheitsmanifestation, bei der Entzündung und Zottenatrophie auf den Bulbus duodeni beschränkt sind. Dieses Krankheitsbild wurde bereits vor einigen Jahren beschrieben. Jetzt legen die Autor*innen die Auswertungen der ersten multizentrischen Patientenkohorte vor. Betroffene mit ultrakurzer Zöliakie waren im Vergleich zu solchen mit herkömmlicher Krankheitsmanifestation jünger, aber hatten vergleichbare Beschwerden. Laborchemisch waren die Titer der Transglutaminase-Antikörper signifikant geringer und es lag nur selten ein relevanter Eisenmangel vor. Alle Patient*innen sprachen sehr gut auf eine glutenfreie Diät an. Es bleibt unklar, ob die ultrakurze Zöliakie wirklich eine distinkte Krankheitsentität darstellt, oder ob es sich nicht vielmehr um einen Übergang aus einer potenziellen Zöliakie (Vorliegen von Transglutaminase-Antikörpern ohne Beschwerden und intestinale Entzündung) in eine manifeste konventionelle Zöliakie handelt. Immerhin hatte ein relevanter Anteil der Patient*innen auch im postbulbären Duodenum bereits Hinweise auf eine zumindest lymphozelluläre Entzündung, wenn auch ohne Zottenatrophie. Für den klinischen Alltag ist eine wichtige Beobachtung, dass fast die Hälfte der Betroffenen vor der Diagnosestellung bereits endoskopiert worden war, wobei die Zöliakiediagnose wegen mangelnder Biopsieentnahme aus dem Bulbus nicht gestellt worden war. Vor diesem Hintergrund fordern die aktuellen Zöliakie-Leitlinien zu Recht die Entnahme von 6 Biopsien aus allen Abschnitten des Duodenums inkl. Bulbus. Die Transglutaminase-Antikörper waren in dieser Kohorte meist nur mäßig erhöht (< 10-fach). Vor diesem Hintergrund sollte bei klinischen Beschwerden großzügig die Indikation zur Endoskopie und Biopsieentnahme gestellt werden. Dabei sollte aber nicht die Tatsache aus den Augen verloren werden, dass zumindest in Deutschland die serologische Diagnostik oft zu spät durchgeführt oder ganz vergessen wird (z. B. bei erstgradigen Verwandten von Zöliakie-Betroffenen). Diese Arbeit sollte daher vor allem unser Bewusstsein für eine adäquate Zöliakiediagnostik schärfen – das würde die Versorgung der Betroffenen deutlich verbessern.

Zurück zur Übersicht

Das könnte Sie auch interessieren:

Weitere Artikel zum Thema