Dickdarm bis Rektum

N Engl J Med. 2024;391(12):1119–29

Phase 2 trial of anti-TL1A monoclonal antibody tulisokibart for ulcerative colitis

Sands BE, Feagan BG, Peyrin-Biroulet L, Danese S, Rubin DT, Laurent O, Luo A, Nguyen DD, Lu J, Yen M, Leszczyszyn J, Kempiński R, McGovern DPB, Ma C, Ritter TE, Targan S; ARTEMIS-UC Study Group

Phase-II-Studie mit monoklonalem TL1A-Antikörper Tulisokibart bei Colitis ulcerosa


Hintergrund: Der monoklonale Antikörper Tulisokibart ist ein Tumor-Nekrose-Faktor-like Ligand 1A (TL1A), das sich in der Entwicklung für die Behandlung der mittel- bis hochgradig aktiven Colitis ulcerosa befindet. Dazu wurde ein diagnostischer Gentest zum Identifizieren derjenigen Patient*innen entwickelt, die mit erhöhter Wahrscheinlichkeit auf die Therapie ansprechen.
Methoden: Das Autorenteam randomisierte Patient*innen mit Colitis ulcerosa unter Glukokortikoid-Abhängigkeit oder bei denen eine herkömmliche oder neuartige Therapie versagt hatte, entweder für die Verabreichung von Tulisokibart (1000 mg an Tag 1 und 500 mg in Woche 2, 6 und 10) oder von Placebo. In Kohorte 1 waren Patient*innen unabhängig vom per Test ermittelten Status der Ansprechwahrscheinlichkeit. In Kohorte 2 waren nur Patient*innen mit positivem Testergebnis, d. h. solche, bei denen ein Ansprechen wahrscheinlich war. Die Primäranalyse wurde in Kohorte 1 durchgeführt; der primäre Endpunkt war eine klinische Remission in Woche 12. Patient*innen aus den Kohorten 1 und 2 mit positivem Testergebnis, also mit wahrscheinlichem Ansprechen, wurden in vorab festgelegten Analysen kombiniert.
Ergebnisse: In Kohorte 1 wurden insgesamt 135 Patient*innen randomisiert. In der Gruppe unter Tulisokibart hatte ein signifikant höherer Prozentsatz eine klinische Remission als in der Placebo-Gruppe (26% vs. 1%; Differenz: 25 Prozentpunkte; 95% Konfidenzintervall [CI]: 14–37; p < 0,001). In Kohorte 2 wurden insgesamt 43 Patient*innen randomisiert. Insgesamt wurden 75 Patient*innen mit positivem Testergebnis (wahrscheinliches Ansprechen) aus den beiden Kohorten randomisiert. Von den Patient*innen mit positivem Testergebnis (wahrscheinliches Ansprechen, Kohorte 1 und 2 kombiniert) trat in der Gruppe unter Tulisokibart eine klinische Remission bei einem höheren Prozentsatz auf als in der Gruppe unter Placebo (32% vs. 11%; Differenz: 21 Prozentpunkte; 95% CI: 2–38; p = 0,02). Bei allen eingeschlossenen Patient*innen war die Inzidenz von unerwünschten Ereignissen in der Tulisokibart-Gruppe und in der Placebo-Gruppe ähnlich; dabei waren die unerwünschten Ereignisse leicht bis mittelschwer ausgeprägt.

Schlussfolgerungen: In dieser Kurzstudie war Tulisokibart bei Patient*innen mit mittel- bis hochgradig aktiver Colitis ulcerosa signifikant wirksamer zur Induktion einer klinischen Remission als Placebo.

B.E. Sands, Icahn School of Medicine at Mount Sinai, New York, NY, USA, E-Mail: bruce.sands@mssm.edu

DOI:  10.1056/nejmoa2314076

Expertenmeinung

Prof. Dr. Peter Hasselblatt
Stellv. Ärztlicher Direktor / Leitender Oberarzt Klinik für Innere Medizin II, Universitätsklinikum Freiburg

TL1A – neuer Therapieansatz für CED

Innovative Therapien zur Behandlung chronisch entzündlicher Darmerkrankungen (CED) basieren wesentlich auf der Hemmung pro-inflammatorischer Zytokine, des Lymphozyten-Trafficking oder der Aktivierung des Immunsystems, z. B. durch JAK-Inhibitoren. Die Hemmung des pro-inflammatorischen Zytokins Tumor-Nekrose-Faktor-like Ligand 1a (TL1A) stellt hierfür einen neuen und besonders vielversprechenden Ansatz dar. TL1A ist ein Zytokin der TNF-Superfamilie und entfaltet seine Wirkung nach Bindung an den Death Rezeptor 3 (DR3). TL1A wird im entzündeten Darm exprimiert und aktiviert das angeborene Immunsystem synergistisch mit IL-23 sowie das adaptive Immunsystem und die nachfolgende Freisetzung von TNF und IFN-γ durch T-Lymphozyten. Zudem begünstigt TL1A die Fibroseentstehung. Derzeit werden mehrere monoklonale Antikörper gegen TL1A in klinischen Studien zur CED-Therapie untersucht. In 2 Phase-II-Studien mit dem Antikörper RVT-3101 konnte bei guter Verträglichkeit eine gute Wirksamkeit im Rahmen der Induktionstherapie bei Colitis ulcerosa gezeigt werden (TUSCANY-Studien). Die Substanz wird derzeit in Phase-III-Studien zur Behandlung der Colitis und des Morbus Crohn weiter untersucht. In der hier vorgestellten ARTEMIS-UC-Studie wurde hingegen die Wirksamkeit des monoklonalen TL1A-Antikörpers Tulisokibart (PRA23) zur Behandlung der Colitis ulcerosa im Rahmen einer Phase-II-Studie untersucht und die Ergebnisse einer Induktionstherapie nach 12 Wochen berichtet. Zu diesem Zeitpunkt erreichten 26% der mit Tulisokibart behandelten Patient*innen im Vergleich zu (bemerkenswerten) 1% unter Placebo eine klinische Remission bei sehr guter Verträglichkeit. Leider sind die Daten zur Erhaltungstherapie nicht Bestandteil dieser Arbeit, sodass die langfristige Wirksamkeit noch unklar bleibt. Es stellt sich zudem die Frage, ob eine Hemmung von TL1A auch nach Versagen einer TNF-Antikörpertherapie sinnvoll und wirksam ist. In ARTEMIS-UC war lediglich etwa die Hälfte der Patient*innen Biologika-vorbehandelt, sodass aufgrund der geringen Fallzahlen hierzu bisher keine Aussagen möglich sind. Interessanterweise wurde in das Studienprogramm aber auch ein explorativer Biomarker integriert, anhand dessen Patient*innen mit höherer Wahrscheinlichkeit eines Therapieansprechens identifiziert werden sollten. Auch in dieser Kohorte waren die Remissionsraten unter Tulisokibart höher als unter Placebo. Es bleibt aber unklar, ob dieser Biomarker wirklich geeignet ist, Patient*innen mit höherer Wahrscheinlichkeit eines klinischen Ansprechens zu identifizieren. Es ist aber sehr zu begrüßen, dass solche Ansätze einer personalisierten Medizin bereits in einem frühen Stadium klinischer Studien zum Einsatz kommen, da sie mittelfristig die Therapiealgorithmen wesentlich beeinflussen könnten. Vor dem Hintergrund der laufenden Studien darf man daher die weiteren Ergebnisse zur Wirksamkeit einer TL1A-Inhibition zur Therapie von CED mit Spannung erwarten.

Zurück zur Übersicht

Das könnte Sie auch interessieren:

Weitere Artikel zum Thema