Leber und Gallenwege

N Engl J Med. 2024;391(4):299–310

Tirzepatide for metabolic dysfunction-associated steatohepatitis with liver fibrosis

Loomba R, Hartman ML, Lawitz EJ, Vuppalanchi R, Boursier J, Bugianesi E, Yoneda M, Behling C, Cummings OW, Tang Y, Brouwers B, Robins DA, Nikooie A, Bunck MC, Haupt A, Sanyal AJ; SYNERGY-NASH Investigators

Tirzepatid für metabolische Dysfunktion-assoziierte Steatohepatitis mit Leberfibrose


Hintergrund: Metabolische Dysfunktion-assoziierte Steatohepatitis (MASH) ist eine progrediente Lebererkrankung, die mit Leberkomplikationen und Tod assoziiert ist. Die Wirksamkeit und Sicherheit von Tirzepatid, einem Agonisten der Rezeptoren des glukoseabhängigen insulinotropen Polypeptids und des Glucagon-like-Peptids-1, bei Patient*innen mit MASH und mittelschwerer bis schwerer Fibrose sind unklar.
Methoden: Die Autor*innen führten eine multizentrische, doppelblinde, randomisierte, placebokontrollierte Phase-II-Dosisfindungsstudie bei Teilnehmer*innen mit bioptisch bestätigter MASH und Fibrose im Stadium F2 oder F3 (mittelschwer oder schwer) durch. Die Teilnehmer*innen wurden randomisiert der einmal wöchentlichen Verabreichung von subkutanem Tirzepatid (5 mg, 10 mg oder 15 mg) oder Placebo für 52 Wochen zugewiesen. Der primäre Endpunkt war die Rückbildung der MASH ohne Verschlechterung der Fibrose nach 52 Wochen. Ein wichtiger sekundärer Endpunkt war eine Verbesserung (Verringerung) um mindestens 1 Fibrosestadium ohne Verschlechterung der MASH.
Ergebnisse: Für 157 der 190 Teilnehmer*innen, die randomisiert worden waren, lagen in Woche 52 Leberbiopsie-Ergebnisse vor, die auswertbar waren; fehlende Werte wurden unter der Annahme imputiert, dass sie dem Muster der Ergebnisse in der Placebo-Gruppe folgen würden. Der Anteil an Teilnehmer*innen, die die Kriterien für eine Rückbildung der MASH ohne Verschlechterung der Fibrose erfüllten, betrug 10% in der Placebo-Gruppe, 44% in der 5-mg-Tirzepatid-Gruppe (Differenz vs. Placebo: 34 Prozentpunkte; 95% Konfidenzintervall [CI]: 17–50), 56% in der 10-mg-Tirzepatid-Gruppe (Differenz: 46 Prozentpunkte; 95% CI: 29–62) und 62% in der 15-mg-Tirzepatid-Gruppe (Differenz: 53 Prozentpunkte; 95% CI: 37–69) (p < 0,001 für alle 3 Vergleiche). Der Anteil an Teilnehmer*innen, die eine Verbesserung um mindestens 1 Fibrosestadium ohne Verschlechterung der MASH hatten, betrug 30% in der Placebo-Gruppe, 55% in der 5-mg-Tirzepatid-Gruppe (Differenz vs. Placebo: 25 Prozentpunkte; 95% CI: 5–46), 51% in der 10-mg-Tirzepatid-Gruppe (Differenz: 22 Prozentpunkte; 95% CI: 1–42) und 51% in der 15-mg-Tirzepatid-Gruppe (Differenz: 21 Prozentpunkte; 95% CI: 1–42). Die häufigsten unerwünschten Ereignisse in den Tirzepatid-Gruppen waren gastrointestinale Ereignisse und meist waren sie leicht oder mittelschwer ausgeprägt.

Schlussfolgerungen: In dieser Phase-II-Studie bei Teilnehmer*innen mit metabolische Dysfunktion-assoziierter Steatohepatitis (MASH) und mittelschwerer oder schwerer Fibrose war die Behandlung mit Tirzepatid über 52 Wochen wirksamer als Placebo bei der Rückbildung der MASH ohne Verschlechterung der Fibrose. Größer angelegte und längere Studien werden benötigt, um die Wirksamkeit und Sicherheit von Tirzepatid zur Behandlung von MASH weiter zu bewerten.

R. Loomba, Metabolic Dysfunction-Associated Steatotic Liver Disease Research Center, Division of Gastroenterology and Hepatology, Department of Medicine, University of California at San Diego, La Jolla, CA, USA, E-Mail: roloomba@health.ucsd.edu

DOI: 10.1056/nejmoa2401943

Expertenmeinung

Dr. Dr. Natascha Röhlen
Funktionsoberärztin MASLD Ambulanz, Klinik für Innere Medizin II, Universitätsklinikum Freiburg

GLP-1-Rezeptor-Koagonisten in der Therapie der MASH

Die metabolische Dysfunktion-assoziierte Steatohepatitis (metabolic dysfunction-associated steatohepatitis, MASH) ist in westlichen Ländern eine der führenden Ursachen der Leberfibrose und Leberzirrhose. Im März 2024 wurde mit Resmetirom, einem Leber-selektiven Schilddrüsenhormonrezeptor-beta(TRH-β)-Agonisten, das erste Medikament zur Therapie von Patient*innen mit MASH und moderater bis fortgeschrittener Fibrose in den USA zugelassen. Die Zulassung durch die europäische Arzneimittelbehörde steht aktuell noch aus, wird jedoch bis Anfang 2025 erwartet.

Neben Resmetirom wurden in den letzten Jahren insbesondere Inkretinmimetika für die Therapie der MASH getestet. Inkretinmimetika sind eine seit Jahren in der Behandlung der Adipositas und des Diabetes mellitus Typ 2 etablierte Substanzklasse, welche die Wirkung der körpereigenen Hormone Glucagon-like Peptide 1 (GLP-1), glukoseabhängiges insulinotropes Peptid (GIP) oder Glucagon nachahmen und zu einer Gewichtsabnahme und gesteigerten Insulinsensitivität führen. Während Newsome et al. bereits 2021 protektive Effekte des GLP-1-Rezeptoranalogons Semaglutid auf die histologisch nachweisbare Inflammation und Hepatozyten-Balloonierung beschrieben haben, untersuchen aktuelle klinische Studien vor allem die Effekte von GLP-1/GIP- und GLP-1/Glucagon-Rezeptor-Koagonisten, die mit einer besonders effektiven Gewichtsabnahme assoziiert sind.

Loomba et al. untersuchten in ihrer Phase-II-Studie die Effekte des GLP-1/GIP-Koagonisten Tirzepatid bei 190 MASH-Patient*innen mit moderater (F2) oder schwerer (F3) Fibrose. In der gleichen Ausgabe des New England Journal of Medicine erschien zudem auch eine Arbeit von Sanyal et al., welche die Wirksamkeit des GLP-1/Glucagon-Rezeptor-Koagonisten Survodutid bei 293 MASH-Patient*innen mit einem Fibrosegrad F1–F3 untersuchte. Sowohl Tirzepatid als auch Survodutid wurden einmal wöchentlich subkutan appliziert und über einen Zeitraum von 1–6 Monaten schrittweise eindosiert. Beide Studien zeigen eine deutliche Reduktion der histologischen MASH-Aktivität ohne Verschlechterung der Fibrose nach 52 beziehungsweise 48 Wochen Therapie im Vergleich zur Placebo-Gruppe. Auch kam es in beiden Studien zu einem Abfall der Transaminasen und einer Reduktion des MR-grafisch messbaren Leberfettgehalts in der Verum-Gruppe. Die Therapie mit einem GLP-1-Rezeptor-Koagonisten war mit einem tendenziell höheren Anteil an Patient*innen mit histologisch nachweisbarer Fibroseregression assoziiert (Tirzepatid: +21%, Survodutid: +14% im Vergleich zur Placebo-Gruppe). Beide Studien beobachteten unter der jeweiligen Therapie das gehäufte Auftreten von gastrointestinalen Nebenwirkungen wie Übelkeit und Durchfällen. Schwerwiegende Nebenwirkungen traten in beiden Studien jedoch nicht häufiger als unter Placebo-Gabe auf.

Während Unterschiede im Studiendesign (verschiedene Endpunkte, Abweichungen im Fibrosegrad, in der Patientenkohorte und den statistischen Analysen) keinen Vergleich der Effektivität der beiden Substanzen untereinander zulassen, weisen beide Studien auf einen potenziellen Stellenwert von GLP-1-Rezeptor-Koagonisten in der Therapie von adipösen MASH-Patient*innen hin. Unklar bleibt jedoch, ob die beobachteten Effekte auf die histologische MASH-Aktivität direkt durch Tirzepatid beziehungsweise Survodutid vermittelt sind, oder ob sie primär indirekte Effekte der Gewichtsabnahme abbilden. So kam es über die knapp einjährige Therapie mit einem GLP-1-Rezeptor-Koagonisten in beiden Studien zu einer durchschnittlichen Gewichtsabnahme von 10–16%. Im Hinblick auf die Fibrose ist die Studiendauer von 48–52 Wochen wahrscheinlich zu kurz und die Fallzahl zu gering, um die langfristige antifibrotische Wirksamkeit von GLP-1-Rezeptor-Koagonisten einzuschätzen. Sollte ein Therapieeffekt hauptsächlich durch die Gewichtsabnahme vermittelt sein, ist entsprechend der Erfahrungen aus bariatrischen Studien die maximale Fibroseregression nach einer Therapiedauer von > 1 Jahr zu erwarten.

Patient*innen mit MASH-Zirrhose wurden in den beiden Studien ausgeschlossen. Loomba et al. publizierten 2023 jedoch eine Phase-II-Studie, die den GLP-1-Agonisten Semaglutid als sicher in der Therapie der kompensierten MASH-Zirrhose einstuft. Die bereits geplanten Phase-III-Studien mit Zirrhosepatient*innen sowie Langzeitdaten sind dringend notwendig, um neben der kurzfristigen Wirkung auf die MASH-Inflammation und die Fibrose auch den Effekt der GLP-1-Rezeptor-Koagonisten auf klinische Endpunkte wie Dekompensationsereignisse und die HCC-Inzidenz beurteilen zu können.

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