Ausgabe
1/2024
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Editorial

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

in den vergangenen Jahren wurde ausgehend von deutschen Krankenkassendaten intensiv diskutiert, ob eine Therapie mit Protonenpumpeninhibitoren (PPI) ggf. das Risiko für die Entstehung einer Demenz erhöhen könnte. Die Daten dazu sind widersprüchlich. Vor diesem Hintergrund sind die Beobachtungen einer prospektiven Kohortenstudie an über 18.000 Menschen im Alter von ≥ 65 Jahren wichtig, in der keine Assoziationen zwischen der Einnahme von PPI oder H2-Antihistaminika mit einer beginnenden Demenz oder kognitiven Einschränkungen nachgewiesen werden konnte (Mehta et al.). Die medikamentöse Therapie der Adipositas befindet sich derzeit durch die Verfügbarkeit von GLP1 (Glucagon-like Peptid 1)-Analoga in einem Umbruch, durch die eine erhebliche Gewichtsreduktion erzielt werden kann. Eine vielversprechende Weiterentwicklung dieses Therapieprinzips stellt Retatrutid dar. Dies ist ein Dreifach-Agonist des glukoseabhängigen insulinotropen Polypeptids, von GLP1 sowie von Glucagonrezeptoren. In einer Phase-II-Studie konnte durch eine Behandlung mit Retatrutid über einen Zeitraum von 48 Wochen eine bemerkenswerte Gewichtsreduktion von 24,2% erzielt werden (Jastreboff et al.). Aufgrund von zunehmenden Resistenzen kommen dem kulturellen Nachweis und der Resistenztestung von Helicobacter pylori eine wichtige Rolle zu. Diese Verfahren sind zeitintensiv und nicht überall verfügbar. Im Rahmen von zwei Studien konnte nun gezeigt werden, dass eine auf einer PCR-basierten molekularen im Vergleich zu einer kulturellen Resistenzbestimmung basierende Eradikation in der Erst- und Drittlinientherapie vergleichbare Ergebnisse liefert bzw. nicht unterlegen ist. Vor diesem Hintergrund dürfte künftig vermehrt eine PCR-Diagnostik zum Einsatz kommen (Chen et al.). [...]

Mit Mirikizumab wurde kürzlich der erste selektive IL-23-Antikörper zur Behandlung der Colitis ulcerosa zugelassen. In der Zulassungsstudie LUCENT betrug die Remissionsrate nach 12 Wochen unter Mirikizumab 24,2% im Vergleich zu 13,3% unter Placebo (D’Haens et al.). Vor dem Hintergrund vieler neuer Therapieoptionen für Colitis ulcerosa stellt sich die Frage nach dem Stellenwert konventioneller Therapien wie Thiopurinen. In einer kleinen randomisierten Studie konnte gezeigt werden, dass durch eine optimierte Therapie mit 6-Mercaptopurin einschließlich regelmäßiger Dosisanpassungen bei 48,3% im Vergleich zu 10% der Teilnehmenden unter Placebo eine steroidfreie klinische Remission und ein endoskopisches Ansprechen erreicht werden konnte (Löwenberg et al.). Es bleibt abzuwarten, ob dies zu einer Renaissance der Thiopurintherapie führt. Zur neoadjuvanten Therapie fortgeschrittener Rektumkarzinome wird oft eine Radiochemotherapie eingesetzt. In einer randomisierten Studie konnte nun belegt werden, dass auch eine neoadjuvante Chemotherapie nach dem FOLFOX-Protokoll bei Kandidat*innen für eine sphinktererhaltende Resektion im Hinblick auf das krankheitsfreie Überleben der Radiochemotherapie nicht unterlegen war (Schrag et al.).

Bei der Behandlung von Patient*innen mit biliärer Pankreatitis stellt sich oft die Frage, zu welchem Zeitpunkt eine ERCP und Steinextraktion durchgeführt werden sollte. So konnte im Rahmen der APEC-Studie bei schwerer Pankreatitis ohne begleitende Cholangitis kein Vorteil einer frühen ERCP gezeigt werden. Vor diesem Hintergrund wurde diskutiert, ob der klinische Verlauf einer schweren Pankreatitis vielleicht durch eine vorgeschaltete Endosonografie und ERCP im Falle eines Konkrementnachweises günstig beeinflusst werden könnte. Dies war in einer prospektiven Studie jedoch nicht der Fall: Auch bei endosonografischem Nachweis von Gallengangsteinen oder Sludge besserte sich durch eine unmittelbar durchgeführte ERCP das Risiko für schwerwiegende Komplikationen oder die Mortalität im Vergleich zu einer historischen und konservativ behandelten Kontrollgruppe nicht. Vor diesem Hintergrund kann die Indikation zur ERCP bei biliärer Pankreatitis zurückhaltend gestellt werden (Hallensleben et al.).

Das italienische Surveillance-Register für akute Virushepatitiden zeigt, dass auch noch im 21. Jahrhundert chirurgische und endoskopische Eingriffe ein deutlich erhöhtes Risiko für eine Hepatitis-B- oder Hepatitis-C-Virusinfektion mit sich bringen (Caminada et al.). Bulevirtid ist seit 2020 in Europa vorläufig zur Therapie der chronischen HBV/HDV-Koinfektion zugelassen. Eine aktuelle Phase-III-Studie zeigt, dass Bulevirtid nach 48-wöchiger Therapie bei fast 50% der Patient*innen zu ALT-Normalisierung und HDV-RNA-Abfall um > 2 Log-Stufen führt (kombiniertes Ansprechen) (Wedemeyer et al.). Die Phase-III-Studie KEYNOTE-966 zeigt, dass Pembrolizumab zusätzlich zu Gemcitabin und Cisplatin bei der Therapie des fortgeschrittenen Gallenwegskarzinoms das mediane Gesamtüberleben verlängert (12,7 vs. 10,9 Monate) (Kelley et al.).

Wir wünschen Ihnen gemeinsam mit dem gesamten Team des Falk Gastro Rewiew Journals eine schöne Adventszeit, frohe Weihnachten und ein gutes, gesundes, erfolgreiches und vor allem friedliches Jahr 2024!

Ihre

Christoph Neumann-Haefelin und Peter Hasselblatt
Klinik für Innere Medizin II, Universitätsklinikum Freiburg

Christoph Neumann-Haefelin

Peter Hasselblatt

Aktuelles aus der Literatur in dieser Ausgabe

Ösophagus bis Dünndarm

Kaltschlingen-EMR zur Entfernung großer Duodenaladenome

Gastrointest Endosc. 2023;97(6):1100−8