Ausgabe
2/2024
fgr-header

Editorial

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

neben den Ergebnissen großer Phase-III-Studien sind es oft auch die Ergebnisse kleinerer Studien, die für den klinischen Alltag von Relevanz sind. Bei der Zöliakie kann es selten zu schweren Komplikationen einschließlich einer refraktären Zöliakie oder Tumorerkrankungen kommen. Es gibt bisher aber keine verlässlichen Biomarker für komplizierte Verläufe. In einer großen Kohortenstudie konnte nun gezeigt werden, dass eine persistierende Zottenatrophie unter glutenfreier Diät mit dem Auftreten von langfristigen Komplikationen assoziiert ist und sich durch einen einfachen klinischen Score vorhersagen lässt (Schiepatti et al.). Dieser Ansatz könnte zur besseren Identifizierung von Risikopatient*innen verwendet werden, die dann intensivere Kontrolluntersuchungen bekommen sollten. Gastrointestinale Blutungen aus Angiodysplasien im Dünndarm stellen eine große therapeutische Herausforderung dar, da die Blutungsquelle oft endoskopisch nur schwer nachweisbar ist. In einer kleinen randomisierten Studie konnte gezeigt werden, dass sich durch die Gabe von Thalidomid die Häufigkeit von Rezidivblutungen aus Angiodysplasien im Dünndarm im Vergleich zu Placebo signifikant senken lässt (Chen et al.). Bei Morbus Crohn mit Ileozökalbefall und luminaler Entzündungsaktivität konnte vor einigen Jahren in der LIR!C-Studie gezeigt werden, dass eine laparoskopische Ileozökalresektion mittelfristig vergleichbare Ergebnisse liefert wie eine Behandlung mit Infliximab. Langfristig war der Krankheitsverlauf nach Operation sogar günstiger. Dies wird durch die Ergebnisse einer populationsbasierten Kohortenstudie aus Dänemark bestätigt, in der eine Ileozökalresektion bei Morbus Crohn im Vergleich zu einer TNF-Antikörpertherapie eine gute und möglicherweise langfristig sogar wirksamere Erstlinientherapie darstellte (Agrawal et al.). Die frühzeitige OP-Evaluation sollte daher nicht nur komplizierten oder refraktären Verläufen vorbehalten bleiben. [...]

Zur Behandlung des Reizdarmsyndroms wird Amitriptylin oft erst verzögert oder aus Furcht vor Nebenwirkungen gar nicht eingesetzt. In der bisher größten randomisierten Studie zum Einsatz von trizyklischen Antidepressiva bei Reizdarmsyndrom (ATLANTIS) war eine niedrig dosierte Amitriptylin-Therapie (10 mg/Tag) mit nachfolgender Aufdosierung auf 30 mg als Zweitlinientherapie zur Symptomverbesserung signifikant wirksamer als Placebo. Die Therapie war sicher und wurde relativ gut toleriert (Ford et al.). Kleine Polypen mit einer Größe < 10 mm sollten mittels sogenannter „Kaltschlinge abgetragen werden. Es stellt sich hierbei gelegentlich die Frage, ob die Polypen durch vorheriges Unterspritzen besser gefasst und sicherer komplett abgetragen werden können. Laut einer pragmatischen Studie ist das nicht der Fall: Eine Unterspritzung kleiner Polypen vor Kaltschlingenabtragung hatte keinen Einfluss auf die R0-Resektionsraten oder Komplikationen, führte aber zu einer signifikant längeren Interventionszeit (Mou et al.). Bei mikroskopischer Kolitis stellt Budesonid weiterhin die Standardtherapie dar, führt aber nicht immer zu Symptomfreiheit. In einer retrospektiven Auswertung einer großen Kohorte von Patient*innen mit mikroskopischer Kolitis der Mayo-Klinik zeigte sich nun, dass durch eine Behandlung mit Gallensäurebindern fast zwei Drittel der Behandelten ein partielles oder komplettes Ansprechen der Durchfälle erreichten (Tome et al.). Künftige Arbeiten müssen nun die pathogenetische Bedeutung von Gallensäurebindern bzw. der Gallensäuremalabsorption bei mikroskopischer Kolitis weiter untersuchen.

Eine Volumentherapie hat inzwischen einen festen Platz in der frühen Behandlung einer akuten Pankreatitis. Es ist aber nicht abschließend geklärt, wie sich die Zusammensetzung der Infusionstherapie auf den weiteren Pankreatitisverlauf auswirkt. In einer prospektiven multizentrischen Kohortenstudie mit 999 Patient*innen konnten Lee et al. zeigen, dass sich die Verwendung von Ringer-Laktat-Lösung innerhalb der ersten 24 Stunden im Vergleich zu Kochsalzlösung günstig auf den weiteren Pankreatitisverlauf auswirkt.

Eine nicht-alkoholische Fettlebererkrankung (NAFLD) ist mit einer Vielzahl an Komorbiditäten und Risiken assoziiert. Eine aktuelle Kohortenstudie zeigt, dass Patient*innen mit NAFLD auch ein signifikant höheres Risiko für schwere Infektionen haben. Das erhöhte Risiko war in allen Phasen der NAFLD erkennbar und nahm mit zunehmender Schwere der Erkrankung zu (Ebrahimi et al.). Lebererkrankungen tragen wesentlich zur Morbidität und Mortalität in der Allgemeinbevölkerung bei, aber Strategien zur entsprechenden Vorsorge über das kürzlich etablierte Screening auf Hepatitis B und C hinaus fehlen. Der neu entwickelte LiverRisk-Score, basierend auf Alter, Geschlecht und sechs Standardlaborwerten, ermöglicht eine sehr genaue Vorhersage von zukünftigen leberbedingten Ereignissen in der Allgemeinbevölkerung und könnte somit zur Stratifizierung bei der Vorsorge dienen (Serra-Burriel et al.). Auch bei fortgeschrittener Zirrhose wird eine Therapie der Grunderkrankung empfohlen, aber die Evidenz hierfür war bisher gering. Eine aktuelle Studie belegt, dass selbst bei der ersten hydropischen Dekompensation die Therapie der zugrunde liegenden Lebererkrankung die Prognose wesentlich verbessert. Somit kommt der Diagnose und Therapie der zugrunde liegenden Lebererkrankung auch bei einer fortgeschrittenen Zirrhose eine wichtige Rolle zu (Tonon et al.).

Gemeinsam mit dem Team der Falk Foundation wünschen wir Ihnen viel Spaß mit dieser Ausgabe des Falk Gastro Review Journals und eine anregende Lektüre. Bleiben Sie gesund und optimistisch!

Ihre
Christoph Neumann-Haefelin und Peter Hasselblatt
Klinik für Innere Medizin II, Universitätsklinikum Freiburg

Christoph Neumann-Haefelin

Peter Hasselblatt

Aktuelles aus der Literatur in dieser Ausgabe

Ösophagus bis Dünndarm

Wirksamkeit von Probiotika beim Reizdarmsyndrom: systematische Rezension und Metaanalyse

Gastroenterology. 2023;165(5):1206–18