Ausgabe
3/2022
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Editorial

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

die endoskopische Therapie der dysplastischen Barrett-Schleimhaut mittels Mukosaresektion bzw. Radiofrequenzablation (RFA) ist inzwischen gut etabliert, die langfristige Wirksamkeit dieses Vorgehens ist aber noch nicht vollständig untersucht. In einer landesweiten niederländischen Kohortenstudie zeigte sich eine sehr hohe Therapiewirksamkeit der RFA mit oder ohne endoskopische Resektion von Neoplasien bei Barrett-Ösophagus. Zudem war in dieser Studie das Rezidivrisiko sehr gering. Die Autor*innen folgern, dass großzügige endoskopische Nachsorgeintervalle ausreichend sein könnten und dass der Nutzen zufällig entnommener Biopsien im Rahmen der Nachsorge fraglich ist (van Munster et al.).
Eine Immuntherapie mit Checkpoint-Inhibitoren wird zunehmend auch zur Behandlung gastrointestinaler Tumoren eingesetzt. Diese haben besonders für fortgeschrittene Plattenepithelkarzinome des Ösophagus eine große Bedeutung: In einer Phase-III-Studie führte eine Erstlinientherapie mit Nivolumab plus Chemotherapie bzw. Nivolumab plus Ipilimumab im Vergleich zu einer alleinigen Chemotherapie zu einem signifikant längeren Gesamtüberleben (Doki et al.).[...]

Seit vielen Jahren wird allerdings diskutiert, dass die Wirksamkeit einer Immuntherapie durch die Darmflora beeinflusst werden könnte. Die Ergebnisse einer translationalen tierexperimentellen Studie und retrospektiven Auswertung von Patient*innen mit nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinomen lassen nun vermuten, dass auch eine Helicobacter-pylori-Infektion die Wirksamkeit einer Immuntherapie mit Checkpoint-Inhibitoren sehr ungünstig beeinflusst. Die Serologie für H. pylori könnte daher künftig als Marker für personalisierte Therapieentscheidungen dienen (Oster et al.).

Die Darmflora stellt aber natürlich auch einen wesentlichen Angriffspunkt für die Behandlung von Darmerkrankungen dar. Ein fäkaler Mikrobiotatransfer (FMT, Stuhltransplantation) wurde in mehreren Studien erfolgreich zur Behandlung der Colitis ulcerosa eingesetzt. Die Verwendung von tiefgefrorenem Spenderstuhl ist aber logistisch aufwendig. In einer Pilotstudie konnte nun gezeigt werden, dass bei Colitis ulcerosa auch ein FMT mit lyophilisiertem/gefriergetrocknetem Stuhl nach 8 Wochen im Vergleich zu Placebo zu signifikant höheren Raten einer steroidfreien klinischen Remission und eines endoskopischen Ansprechens führte (Haifer et al.). Ein anderer Ansatz wurde zur Behandlung einer Infektion mit Clostridioides difficile (CDI) angewandt: Durch die Gabe von Firmicutes-Sporen über nur 3 Tage konnte das Rezidivrisiko im Vergleich zu einer Placebobehandlung deutlich reduziert werden (Feuerstadt et al.). Die Darmflora scheint aber auch bei Patient*innen mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen unter Tumor-Nekrose-Faktor-Antikörpertherapie das Risiko für die Entwicklung von Anti-Drug-Antikörpern (ADA) zu beeinflussen. In einer israelischen Kohorte war eine Vortherapie mit Cephalosporinen bzw. Penicillinen plus Betalactamase-Inhibitoren mit einem erhöhten Risiko für die Entstehung von ADA assoziiert. Hingegen war das Risiko nach Behandlung mit Makroliden oder Fluorchinolonen verringert (Gorelik et al.). Diese Arbeiten unterstreichen, dass die Interaktionen zwischen Darmflora und Wirt vielfältige Auswirkungen auf andere Erkrankungen und deren Behandlung haben, die weiter zu erforschen sein werden.

Das metabolische Syndrom (MetS) stellt einen wichtigen Risikofaktor für Krebserkrankungen dar. In einer populationsbasierten Studie aus Südkorea konnte gezeigt werden, dass ein MetS auch mit einem erhöhten Risiko einhergeht, an einem Pankreaskarzinom zu erkranken. Dieses Risiko ließ sich aber abmildern, wenn das MetS erfolgreich behandelt werden konnte bzw. rückläufig war (Park et al.).

Die nicht-alkoholische Fettlebererkrankung (NAFLD) ist mit anderen Komponenten des MetS verknüpft. Eine aktuelle Metaanalyse zeigt, dass die NAFLD auch mit einem 1,45-fach erhöhten Langzeitrisiko für eine chronische Nierenerkrankung im Stadium ≥ 3 assoziiert ist. Das Risiko war dabei unabhängig von Alter, Geschlecht, Adipositas, Bluthochdruck, Diabetes und anderen konventionellen Risikofaktoren für eine chronische Nierenerkrankung. Bei NAFLD-Patient*innen sollte daher die Nierenfunktion kontrolliert und ggf. frühzeitig eine nephrologische Mitbetreuung erfolgen (Mantovani et al.). Eine aktuelle amerikanische populationsbasierte Studie zeigt, dass eine Autoimmunhepatitis (AIH) in der Schwangerschaft zwar eine gute Prognose hat (keine Assoziation mit mütterlichem oder perinatalem kindlichem Tod), jedoch mit erheblichen Komplikationen wie Schwangerschaftsdiabetes, hypertensiven Komplikationen (Präeklampsie, Eklampsie sowie HELLP-Syndrom mit Hämolyse, erhöhte Leberenzyme und niedrige Plättchenzahl) und Frühgeburten assoziiert ist. Dies unterstreicht die Bedeutung einer engen interdisziplinären Betreuung der AIH-Patientinnen während der Schwangerschaft (Wang et al.). In einer aktuellen Metaanalyse waren fast 40% der Patient*innen mit Leberzirrhose sarkopen. Eine Sarkopenie erhöht das Mortalitätsrisiko bei Patient*innen mit Zirrhose erheblich. Daher kommen einer adäquaten Ernährung und körperlichem Training eine wichtige Rolle bei Zirrhose zu (Tantai et al.).

Wir wünschen Ihnen viel Vergnügen mit dieser Ausgabe des Falk Gastro Review Journals und eine hoffentlich inspirierende und spannende Lektüre!

Mit besten Grüßen

Christoph Neumann-Haefelin und Peter Hasselblatt
Klinik für Innere Medizin II, Universitätsklinikum Freiburg

Christoph Neumann-Haefelin

Peter Hasselblatt

Aktuelles aus der Literatur in dieser Ausgabe

Dickdarm bis Rektum

Hohe Prävalenz einer ulzerativen Appendizitis bei Patient*innen mit Colitis ulcerosa

United European Gastroenterol J. 2021;9(10):1148–56

Dickdarm bis Rektum

Langfristige Darmkrebsinzidenz und Mortalität nach Adenomentfernung bei Frauen und Männern

Aliment Pharmacol Ther. 2022;55(4):412–21