Editorial
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
obwohl die Pathogenese von Adenokarzinomen des Ösophagus aus einer Barrettmukosa gut verstanden ist, werden Betroffene häufig zu spät diagnostiziert. In einer Proof-of-Concept-Studie erlaubte eine „Liquid-Biopsy“ aus dem Blut anhand der Expressionsmuster von 6 miRNAs mit hoher Sensitivität und Spezifität die Diagnosestellung eines Barrett-Ösophagus (Miyoshi et al.). Die Etablierung solcher Blut-basierter Screeningverfahren könnte die Vorsorge des Barrett-Ösophagus nachhaltig verbessern. Bei Vorliegen eines operablen Adenokarzinoms des Ösophagus herrschte lange Unklarheit über die optimale neoadjuvante Therapie. Im Rahmen der ESOPEC-Studie konnte gezeigt werden, dass das Gesamtüberleben nach einer perioperativen Chemotherapie nach dem FLOT-Protokoll signifikant besser war als nach einer neoadjuvanten Radiochemotherapie (Hoeppner et al.). […]
Derzeit herrscht großes Interesse am Blinddarm: Einige Pilotstudien weisen darauf hin, dass bei Colitis ulcerosa eine Appendektomie den Krankheitsverlauf der Colitis günstig beeinflussen könnte. Möglicherweise sind diese protektiven Effekte aber nicht auf die Colitis ulcerosa beschränkt. In einer landesweiten populationsbasierten Auswertung aus Dänemark war eine vorangegangene Appendektomie auch bei Patient*innen mit Morbus Crohn mit einem milderen Krankheitsverlauf assoziiert (Mark-Christensen et al.). Aber auch die Therapiekonzepte bei akuter Appendizitis sind im Fluss. Während bei Erwachsenen mit Appendizitis bei Fehlen von Appendikolithen laut einer aktuellen Metaanalyse ein konservatives Prozedere angeboten werden kann (Scheijmans et al.), kommen die Autor*innen einer Studie an Kindern mit akuter Appendizitis zu einer anderen Empfehlung: Da ein Drittel der Patient*innen nach konservativer Therapie eine spätere Operation benötigt und der Gewinn an Lebensqualität bei konservativer Therapie überschaubar ist, empfehlen sie bei Kindern ein primär operatives Vorgehen (St. Peter et al.).
Bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen stellen IL-23-Antikörper eine gleichermaßen gut wirksame und verträgliche Therapie dar. Dies belegen die Publikationen der VIVID-Studie zur Wirksamkeit von Mirikizumab bei der Behandlung des M. Crohn (Ferrante et al.) sowie der QUASAR-Studie bei der Behandlung der Colitis ulcerosa mit Guselkumab (Rubin et al.).
Der Siegeszug der Immuntherapie mittels Checkpoint-Inhibitoren ist bei gastrointestinalen Tumoren leider auf wenige Tumorentitäten beschränkt. Zu diesen Tumoren zählen Mikrosatelliten-instabile kolorektale Karzinome. Hier führte im metastasierten Setting in allen Therapielinien eine Kombinationstherapie mit Nivolumab und Ipilimumab im Vergleich zu einer Monotherapie mit Nivolumab zu einem überlegenen progressionsfreien Überleben (André et al.) – doppelt hält besser!
Die Immuntherapie spielt in dieser Ausgabe auch im Bereich der Hepatologie eine große Rolle. Gleich mehrere Arbeiten beschäftigen sich mit unterschiedlichen Aspekten der Checkpoint-Inhibition. Ob mehr immer auch besser ist, wird in 2 Studien für das hepatozelluläre Karzinom untersucht, in denen eine Immuntherapie mit transarterieller Chemoembolisation sowie entweder Bevacizumab (Sangro et al.) oder Lenvatinib (Kudo et al.) kombiniert wurde. In einer weiteren Studie wird ein histologischer Score vorgestellt, mit dem sich das Therapieansprechen auf eine Immuntherapie vorhersagen lässt (Salié et al.).
In der VITALITY-Studie wurde untersucht, inwiefern eine Immuntherapie vor Lebertransplantation die weiteren Verläufe beeinflusst. Erfreulicherweise zeigten sich bei guter Wirksamkeit keine relevanten Sicherheitssignale wie vermehrte Abstoßungen (Tabrizian et al.).
Im Kontext einer chronischen Virushepatitis B kann eine Checkpoint-Inhibition ebenfalls für virologische Endpunkte von Bedeutung sein. So scheinen vor allem Patient*innen mit niedriger HBsAg-Last von einer Immuntherapie im Sinne eines HBsAg-Verlustes zu profitieren (Mon et al.).
Zusätzlich zu diesen Streiflichtern werden Sie in dieser Ausgabe noch viele andere Arbeiten finden, die entweder direkt für Ihren klinischen Alltag von Relevanz sind oder aber einen Ausblick auf die Zukunft der Gastroenterologie und Hepatologie bieten. Wir hoffen in jedem Fall, dass etwas Interessantes für Sie dabei ist, und verbleiben mit besten Grüßen
Ihre
Peter Hasselblatt und Tobias Böttler
Klinik für Innere Medizin II, Universitätsklinikum Freiburg


Aktuelles aus der Literatur in dieser Ausgabe
Metaanalyse: Weltweite Prävalenz von Zöliakie bei Typ-1-Diabetes
Aliment Pharmacol Ther. 2025;61(1):8-31
Randomisierte, doppelblinde, aktiv kontrollierte Phase-III-Studie zur Bewertung der Wirksamkeit und Sicherheit von Zastaprazan im Vergleich zu Esomeprazol bei erosiver Refluxösophagitis
Am J Gastroenterol. 2025;120(2):353-361
Risiko für eine Krebsdiagnose bei Patient*innen mit eosinophiler Ösophagitis anhand einer landesweiten schwedischen Bevölkerungskohorte
United European Gastroenterol J. 2024;12(10):1378-1387
Geschlechtsbezogene Unterschiede bei Präsentation, Management und Ansprechen auf die Behandlung der eosinophilen Ösophagitis: Querschnittsanalyse des EoE-CONNECT-Registers
United European Gastroenterol J. 2024;12(10):1388-1398
Perioperative Chemotherapie oder neoadjuvante Radiochemotherapie bei Ösophaguskarzinom
N Engl J Med. 2025;392(4):323-335
Die Phase-III-Studie INTEGRATE IIa: Regorafenib bei refraktärem fortgeschrittenem Magenkarzinom
J Clin Oncol. 2025;43(4):453-463
Liraglutid bei adipösen Kindern im Alter von 6 bis < 12 Jahren – eine randomisierte Studie
N Engl J Med. 2025;392(6):555-565
Ponsegromab zur Behandlung der Tumorkachexie
N Engl J Med. 2024;391(24):2291-2303
EUS-gestütztes Coiling plus Klebstoffinjektion im Vergleich zur alleinigen endoskopischen Klebstoffinjektion bei der endoskopischen Behandlung von Magenvarizen: eine systematische Übersicht und Metaanalyse
Gastrointest Endosc. 2025;101(2):331-340.e8