Editorial
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
neben der endoskopischen Argon-Plasma-Koagulation (APC) gibt es bisher wenige medikamentöse Therapieansätze für die klinisch oft herausfordernden gastrointestinalen Blutungen aus Angiodysplasien des Dünndarms. Im Rahmen einer randomisierten Studie konnte gezeigt werden, dass eine Behandlung mit Octreotid im Vergleich zur Standardtherapie die Anzahl von Transfusionen und endoskopischen Interventionen innerhalb eines Jahres signifikant reduziert (Goltstein et al.). Die Detektion gastraler Metaplasien im distalen Ösophagus wirft die Frage nach deren Entartungspotenzial und rationalen endoskopischen Vorsorgestrategien auf. Eine prospektive britische Beobachtungsstudie zeigt, dass sich eine gastrale Metaplasie des distalen Ösophagus vom klinischen Verlauf und genetischen Muster stark von einer intestinalen Metaplasie unterscheidet und ein signifikant geringeres malignes Potenzial aufweist. Daher scheint es fraglich, ob Patient*innen mit gastraler Metaplasie eine vergleichbare Vorsorge wie solche mit Barrett-Ösophagus benötigen (Black et al.). [...]
Mehrere Arbeiten dieser Ausgabe beschäftigen sich mit neuen Ansätzen zur Darmkrebsvorsorge: Ein neuartiger Multitarget-Stuhl-DNA-Test zeigte in einer großen prospektiven Studie eine bessere Sensitivität für den Nachweis von Darmkrebs und fortgeschrittenen Krebsvorstufen als ein immunologischer Test auf Blut im Stuhl, wenn auch mit geringerer Spezifität (Imperiale et al.). Auch ein blutbasierter Test auf zellfreie DNA zeigte in einer durchschnittlichen Risikopopulation für die Darmkrebsvorsorge eine gute Sensitivität von 83% für die Detektion von Darmkrebs, aber nur von 13% für den Nachweis fortgeschrittener präkanzeröser Läsionen (Chung et al.).
Es wird angenommen, dass bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED) eine frühe konsequente Biologikatherapie den Krankheitsverlauf günstig beeinflusst. Dies wird nur teilweise durch die Ergebnisse einer landesweiten israelischen Studie bestätigt: Die frühe Einleitung einer Biologikatherapie war zwar bei Morbus Crohn mit einem moderat geringeren Risiko für spätere Crohn-assoziierte Operationen und Steroidabhängigkeit assoziiert, hatte aber bei Colitis ulcerosa keinen Einfluss auf die Kolektomierate oder eine spätere Steroidabhängigkeit (Lujan et al.). In diesem Zusammenhang ist es interessant, dass zwar in der LOVE-CD-Studie, in der bei M. Crohn und „früher“ (< 2 Jahre Erkrankungsdauer) Therapieeinleitung das Ansprechen auf Vedolizumab signifikant besser war, in der LOVE-UC-Studie bei Patient*innen mit kurzem versus langem Krankheitsverlauf einer Colitis ulcerosa keine signifikanten Unterschiede im Hinblick auf klinische, endoskopische und histologische Endpunkte unter einer Vedolizumab-Therapie nachgewiesen werden konnten (Vermeire et al.).
Die Behandlung der akuten nekrotisierenden Pankreatitis sollte nicht mit der Entlassung aus dem Krankenhaus enden: Die Auswertung einer niederländischen Kohortenstudie belegt, dass es nach akuter Pankreatitis häufig zu Rezidiven, der Notwendigkeit von Interventionen und der Entwicklung einer endokrinen und exokrinen Pankreasinsuffizienz kommt. Ausgedehnte Nekrosen des Pankreasparenchyms > 50% bei Erkrankungsbeginn scheinen ein wichtiger Prädiktor für die langfristige Notwendigkeit von Interventionen und das Auftreten von Folgekomplikationen zu sein (Hollemans et al.).
Eine aktuelle Metaanalyse zu Morbidität und Mortalität bei Patient*innen mit Hepatitis-B-/Hepatitis-D-Virus-Koinfektion zeigt, dass HDV-RNA-Positivität mit einem erheblich höheren Risiko für eine (dekompensierte) Zirrhose, ein hepatozelluläres Karzinom (HCC), eine Lebertransplantation und leberbedingte Mortalität assoziiert ist. Dies unterstreicht die Bedeutung eines konsequenten Screenings von Hepatitis-B-Patient*innen auf eine Hepatitis-D-Koinfektion (Gish et al.). Bei der metabolische Dysfunktion-assoziierten steatotischen Lebererkrankung(MASLD) ist das Ferritin häufig erhöht. Eine aktuelle Arbeit zeigt, dass die Hyperferritinämie dabei als ungünstiger Prognosefaktor mit einem erhöhten Risiko für leberbedingte Ereignisse und Gesamtmortalität assoziiert ist (Armandi et al.). Eine aktuelle offene, kontrollierte, randomisierte Studie zur Induktionstherapie der Autoimmunhepatitis spricht dafür, dass Mycophenolat-Mofetil gegenüber Azathioprin als Induktionstherapie der Autoimmunhepatitis in Kombination mit Prednisolon überlegen und auch besser verträglich ist (Snijders et al.).
Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre dieser und der anderen in dieser Ausgabe zusammengefassten Arbeiten!
Ihre
Christoph Neumann-Haefelin und Peter Hasselblatt
Klinik für Innere Medizin II, Universitätsklinikum Freiburg
In eigener Sache
Über die letzten 10 Jahre durfte ich für das Falk Gastro Review Journal sensationelle Entwicklungen in der Hepatologie zusammenfassen, wie z. B. die Revolution der Hepatitis-C-Therapie, die Entwicklung der Immuntherapie beim hepatozellulären Karzinom (HCC) oder die Entwicklung der ersten zielgerichteten Therapie der Hepatitis D. Zum September 2024 trete ich die Professur für Gastroenterologie und Hepatologie an der Universität zu Köln an (Nachfolge Prof. Dr. Tobias Goeser). Die Redaktion des Falk Gastro Review Journals bleibt traditionell in Freiburg – ich freue mich, den hepatologischen Teil der Redaktionsarbeit meinem langjährigen Weggefährten und zukünftigen Leiter des Gerok-Leberzentrums Freiburg, Prof. Dr. Tobias Böttler, übergeben zu können. Ich danke Ihnen als treue Leserschaft und dem Team der Falk Foundation für die exzellente Unterstützung!
Mit den besten Grüßen
Ihr
Christoph Neumann-Haefelin
Christoph Neumann-Haefelin
Peter Hasselblatt