Editorial
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
die Krankheitsprogression des Morbus Crohn mit einer Entstehung von Fisteln stellt eine oft schwer behandelbare Komplikation des M. Crohn dar. In den letzten Jahren wurde diskutiert, ob eine frühe und konsequent durchgeführte anti-entzündliche Therapie das Auftreten einer solchen Krankheitsprogression verhindern kann. Die 2017 erstmals publizierte RISK-Kohortenstudie hat Risikofaktoren für eine Krankheitsprogression bei Kindern mit neu diagnostiziertem M. Crohn untersucht. Eine weiterführende post-hoc-Analyse dieser Studienkohorte belegt nun, dass eine frühzeitige Therapie mit TNF-Antikörpern das Risiko für das Auftreten perianaler Fisteln um etwa 80% senken kann (Adler et al.). Leider gibt es immer noch zu wenige Studien über die Wirksamkeit von Medikamenten zur Behandlung des fistulierenden M. Crohn, sodass die Behandlung mit Infliximab weiterhin erste Wahl ist. In den Zulassungsstudien für Upadacitinib trat bei den 143 eingeschlossenen Patient*innen mit Fisteln im Vergleich zu Placebo signifikant häufiger eine Abheilung der Fisteln unter Upadacitinib auf, sodass dieser JAK-Inhibitor eine sinnvolle Behandlungsalternative darstellt (Colombel et al.). Weltweit wird eine dramatische Zunahme der Prävalenz der Adipositas beobachtet. In einer systematischen Auswertung der Epidemiologie der Adipositas hat deren Prävalenz seit 1990 weltweit bei Männern um 150% und bei Frauen um 105% zugenommen. Sollten diese Entwicklungen anhalten, wird im Jahr 2050 mit 3,8 Milliarden Betroffenen mit Übergewicht oder Adipositas gerechnet, was mehr als der Hälfte der prognostizierten Bevölkerung entspricht und erhebliche Auswirkungen auf das Gesundheitssystem haben dürfte (GBD 2021 Adult BMI Collaborators). […]
Im letzten Heft hatten wir Therapieansätze zur Behandlung der Appendizitis diskutiert. Eine Appendektomie könnte aber auch die Prognose der Colitis ulcerosa beeinflussen. Die Wertigkeit einer Appendektomiezur Remissionserhaltung wurde in der randomisierten ACCURE-Studie untersucht. Bei Patient*innen mit Colitis ulcerosa in Remission führte eine Kombination aus Appendektomie plus remissionserhaltender Therapie zu einer signifikant geringeren Schubhäufigkeit innerhalb eines Jahres als die alleinige remissionserhaltende Therapie (ACCURE Study Group).
Immunologische Tests auf Blut im Stuhl (iFOBT) und die Endoskopie sind etablierte Verfahren zur Vorsorge von kolorektalen Karzinomen. Die spanische COLONPREV-Studie untersuchte Einladungsstrategien für die Darmkrebsvorsorge. Einladungen zu einem zweijährlichen iFOBT wurden signifikant häufiger wahrgenommen als Einladungen zu einer Vorsorgekoloskopie. Die Durchführung von Stuhltests war im Hinblick auf die Darmkrebs-assoziierte Mortalität nach 10 Jahren der von Koloskopien nicht unterlegen (Castells et al.). Das GLP-2 Analogon Teduglutid wird seit einigen Jahren zur Behandlung des Kurzdarmsyndroms eingesetzt, erfordert aber tägliche Injektionen. Glepaglutid ist ein neuartiges lang wirksames GLP-2-Analogon. Zweimal oder einmal wöchentliche Injektionen von Glepaglutid führten in einer Phase-III-Studie zu einer erheblichen klinischen Verbesserung bei Patient*innen mit Kurzdarmsyndrom mit klinisch relevanter Verringerung der parenteralen Ernährung im Vergleich zu Placebo (Jeppesen et al.).
Bisher sind die langfristigen medikamentösen Therapieoptionen zur Behandlung der Autoimmunpankreatitis und anderer IgG4-assoziierter Erkrankungen begrenzt. Inebilizumab ist ein gegen CD19+ B-Zellen gerichteter Antikörper und führte in einer Phase-III-Studie an Patient*innen mit IgG4-assoziierten Erkrankungen (u. a. mit Autoimmunpankreatitis) zu einer im Vergleich zu Placebo deutlich geringeren Rezidivhäufigkeit (10% vs. 60% innerhalb eines Jahres) und höheren Wahrscheinlichkeit für eine schubfreie Remission (Stone et al.).
Die Frage nach dem optimalen Zeitpunkt einer Therapieinitiierungbei chronischer Hepatitis-B-Virusinfektion wird kontrovers diskutiert. Die Zwischenauswertung einer großen Studie, bei der die Therapieindikation früher gestellt wurde als von den aktuellen Leitlinien empfohlen, zeigt nun, dass hierdurch relevante Leber-spezifische Endpunkte verhindert werden könnten. Möglicherweise werden sich daher langfristig die Therapieindikationen ändern (Lim et al.). Inwiefern Umwelteinflüsse Lebererkrankungen beeinflussen, ist schwierig zu messen. Ran et al. konnten jetzt in einer großen Kohorte Daten zur Luftverschmutzung mit Plasmametaboliten korrelieren und mit dem Vorliegen einer MASLD assoziieren. Wenngleich individuell beeinflussbare Risikofaktoren sicher relevanter in der Pathogenese der MASLD sind, zeigen diese Daten doch, dass auch Luftverschmutzung Lebererkrankungen beeinflussen kann (Ran et al.). Bei der intensivmedizinischen Betreuung von Patient*innen mit akutem Leberversagen bleibt der Effekt von Leberersatzverfahren und Plasmapheresen umstritten. Eine aktuelle Studie aus dem Vereinigten Königreich zeigt, dass die Plasmapherese zwar hämodynamische Parameter, nicht jedoch das Gesamtüberleben signifikant beeinflusst. Es bleibt aber spannend, inwiefern Ätiologie-spezifische Effekte hier eine Rolle spielen könnten (Burke et al.).
Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre der in dieser Ausgabe zusammengestellten Arbeiten!
Mit besten Grüßen
Ihre
Peter Hasselblatt und Tobias Böttler
Klinik für Innere Medizin II, Universitätsklinikum Freiburg
Aktuelles aus der Literatur in dieser Ausgabe
Wirksamkeit und Sicherheit der gastralen-peroralen endoskopischen Myotomie (G-POEM): eine systematische Übersicht und Metaanalyse
J Clin Gastroenterol. 2025;59(4):325-334
Auswirkungen einer glutenfreien Ernährung auf die Exposition gegenüber Arsen und anderen Schwermetallen bei Kindern mit Zöliakie: eine prospektive Kohortenstudie
Am J Gastroenterol. 2025;120(4):883-889
Serologisches Screening auf Zöliakie in einer erwachsenen Allgemeinbevölkerung: die HUNT-Studie
Gut. 2025;74:918-925
Der Lyon-Score: ein neuartiges, auf dem Lyon-Konsens 2.0 basierendes Reflux-Scoring-System zur Vorhersage des Behandlungsergebnisses einer Anti-Reflux-Therapie
Am J Gastroenterol. 2025;120(5):1009-1018
Vergleich der Wirksamkeit und Sicherheit von Zweifach-, Dreifach- und Vierfachtherapien auf Basis von Kalium-kompetitiven Säureblockern als Erstlinienbehandlung von Infektionen mit Helicobacter pylori: eine systematische Übersicht und Netzwerk-Metaanalyse
Am J Gastroenterol. 2025;120(4):787-798
Nicht-endoskopisches Screening bei Barrett-Ösophagus und Ösophagus-Adenokarzinomen bei Veteran*innen mit erhöhtem Risiko
Am J Gastroenterol. 2025;120(3):545-553
Sugemalimab plus Chemotherapie in der Erstlinie bei fortgeschrittenen Magenkarzinomen: die randomisierte GEMSTONE-303-Studie
JAMA. 2025;333(15):1305-1314
Weltweite Prävalenz und Beschreibung des Syndroms des zyklischen Erbrechens: Ergebnisse der Rome Foundation Global Epidemiology Study
Am J Gastroenterol. 2025;120(5):1108-1115