Dickdarm bis Rektum
Lancet. 2023;402(10414):1773–85
Amitriptyline at Low-Dose and Titrated for Irritable Bowel Syndrome as Second-Line Treatment in primary care (ATLANTIS): A randomized, double-blind, placebo-controlled, phase 3 trial
Niedrig dosiertes Amitriptylin mit nachfolgender Dosisanpassung als Zweitlinientherapie des Reizdarmsyndroms in der hausärztlichen Versorgung (ATLANTIS): eine randomisierte doppelblinde placebokontrollierte Phase-III-Studie
Die meisten Patient*innen mit Reizdarmsyndrom (RDS) werden hausärztlich versorgt. Nach Versagen der Erstlinientherapie für RDS empfehlen britische Leitlinien eine Therapie mit niedrig dosierten trizyklischen Antidepressiva als Zweitlinientherapie. Die Wirksamkeit dieser Medikamente in der hausärztlichen Versorgung ist aber ungewiss und sie werden nur selten verschrieben. Im Rahmen der randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Studie ATLANTIS, die in 55 allgemeinmedizinischen Praxen in England durchgeführt wurde, wurden geeignete Patient*innen im Alter ≥ 18 Jahre mit Reizdarmsyndrom (RDS, definiert nach den Rom-IV-Kriterien) und anhaltenden Beschwerden (gemessen durch den IBS Symptom Severity Score [Irritable Bowel Syndrome-Severity Scoring System, IBS-SSS] ≥ 75 Punkte) trotz diätetischer Maßnahmen und erfolgloser Erstlinientherapie eingeschlossen. Patient*innen mussten ein unauffälliges Blutbild und C-reaktives Protein, eine negative Zöliakie-Serologie und keine Hinweise für Suizidalität aufweisen. Die Patient*innen wurden im Verhältnis 1:1 randomisiert und erhielten eine Therapie mit niedrig dosiertem Amitriptylin (10 mg/Tag, gefolgt von einer Dosisanpassung über 3 Wochen auf bis zu 30 mg in Abhängigkeit von Symptomen und Verträglichkeit) oder Placebo für 6 Monate. Primärer Endpunkt war der IBS-SSS nach 6 Monaten. Die Auswertung erfolgte nach der Intention-to-Treat-Methode, wohingegen die Auswertung von Nebenwirkungen bei allen Patient*innen erfolgte, die mindestens einmal die Studienmedikation eingenommen hatten. Zwischen Oktober 2019 und April 2022 wurden 463 Patient*innen (mittleres Alter 48,5 ± 10,1 Jahre; 68% Frauen) randomisiert und erhielten entweder niedrig dosiertes Amitriptylin (n = 232) oder Placebo (n = 231). In der Intention-to-Treat-Auswertung des primären Endpunkts zeigte sich ein signifikanter Unterschied zugunsten einer Amitriptylin-Therapie im Hinblick auf eine Veränderung des IBS-SSS nach 6 Monaten (Amitriptylin: -27,0; 95% Konfidenzintervall: -46,9 bis -7,1; p = 0,0079). 46 Patient*innen (20%) beendeten die niedrig dosierte Amitriptylin-Therapie (30 [13%] aufgrund von Nebenwirkungen) und 59 Patient*innen (26%) die Placebobehandlung vorzeitig (davon 20 [9%] aufgrund von Nebenwirkungen). Es wurden 5 schwere Nebenwirkungen (2 in der Amitriptylin-Gruppe und 3 in der Placebogruppe) in Zusammenhang mit der Studienmedikation sowie 5 schwere unabhängig aufgetretene Nebenwirkungen beobachtet.
In dieser bislang größten randomisierten Studie zum Einsatz trizyklischer Antidepressiva zur Therapie des Reizdarmsyndroms im Rahmen der Zweitlinientherapie in der hausärztlichen Versorgung war eine niedrig dosierte Amitriptylin-Therapie (10 mg/Tag) mit nachfolgender Aufdosierung auf 30 mg signifikant wirksamer als Placebo zur Symptomverbesserung. Die Therapie war sicher und wurde relativ gut toleriert.