Editorial
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
für mehrere Jahrzehnte waren Protonenpumpeninhibitoren (PPI) eine wesentliche Säule der medikamentösen Therapie der erosiven Refluxösophagitis. Neuere kompetitive Kaliumkanalblocker wie Vonoprazan können die Säureproduktion noch wirksamer hemmen. In einer Phase-III-Studie war eine Behandlung mit Vonoprazan wirksamer als Lansoprazol in Bezug auf die Abheilung von Erosionen und die Remissionserhaltung. Diese Überlegenheit bestand vor allem bei Patient*innen mit schwerer Refluxösophagitis (Laine et al.). Die zunehmende Anzahl von medikamentösen Therapieoptionen zur Behandlung eines luminalen Morbus Crohn wirft die Frage auf, wie sehr sich die Wirksamkeit der einzelnen Medikamente unterscheidet. In einer Netzwerk-Metaanalyse zur Behandlung des luminalen M. Crohn war eine Therapie mit Infliximab (5 mg/kg Körpergewicht) unter Berücksichtigung aller Patient*innen am wirksamsten zur Remissionsinduktion. Bei getrennter Auswertung der Biologika-naiven bzw. -vorbehandelten Patient*innen schnitt Risankizumab (600 mg) am bestenab, wohingegen Upadacitinib (30 mg/Tag) unter Berücksichtigung aller Patient*innen am wirksamsten zur Remissionserhaltung war (Barberio et al.). [...]
Die akute schwere Colitis ulcerosa ist ein ernstes Krankheitsbild, das enge interdisziplinäre viszeralmedi-zinische Therapieentscheidungen erfordert. Laut einer Kohortenstudie hat sich in den letzten 25 Jahren die Kolektomierate von Patient*innen mit akuter schwerer Colitis ulcerosa beinahe halbiert und beträgt weltweit nur noch 8–15%. Ein 4-Punkte-Score bestehend aus den Serumkonzentrationen des C-reaktiven Proteins und des Albumins sowie der endoskopischen Aktivität erlaubte eine zuverlässige Vorhersage des Ansprechens auf Kortikosteroide (Adams et al.). Die Corona-Pandemie ist zwar vorbei, die langfristigen Folgen einer COVID-19-Erkrankung auf den Gastrointestinaltrakt sind aber weitgehend unbekannt. Laut zweier Studien an COVID-19-Patient*innen hatten diese ein signifikant erhöhtes Risiko, an einem Reizdarmsyndrom zu erkranken (Golla et al. und Marasco et al.).
Die Diagnostik zystischer Pankreasraumforderungen ist noch durch die begrenzten diagnostischen Möglichkeiten des Zystensekrets beschränkt. Ein Next-Generation-Sequencing-Panel mit 22 Genen war nicht nur sensitiv und spezifisch für verschiedene Pankreaszystentypen und fortgeschrittene Neoplasien, die sich aus muzinösen Zysten entwickeln, sondern zeigte auch die Vielfalt der genomischen Veränderungen in Pankreaszysten und ihre klinische Bedeutung. Solche Technologien der DNA-Sequenzierung werden künftig wohl vermehrt Einzug in die Diagnostik und Therapie von Pankreaszysten halten (Paniccia et al.).
Eine große Fallkontrollstudie zeigt ein deutlich erhöhtes Risiko für eine Metabolismus-assoziierte Fettlebererkrankung (MAFLD) sowie Leberfibrose bei Patient*innenmit chronisch entzündlicher Darmerkrankung (CED) und zwar unabhängig von klassischen metabolischen Risikofaktoren wie Body-Mass-Index oder Typ-2-Diabetes (Rodriguez-Duque et al.). Auch nach erfolgreicher antiviraler Therapie einer chronischen Hepatitis C haben Patient*innen mit Diabetes mellitus ein erhebliches Risiko für ein hepatozelluläres Karzinom (HCC). Metformin scheint das HCC-Risiko bei diesen Patient*innen deutlich zu senken (Tsai et al.). Häufigkeit und Risikofaktoren eines Rezidivs einer Pfortaderthrombose sind bei Patient*innen ohne Leberzirrhose bisher schlecht definiert. Eine aktuelle Studie zeigt, dass solche Rezidivthrombosen asymptomatisch verlaufen können und daher eine gezielte Nachsorge erforderlich ist. Faktor-VIII-Werte von ≥ 150% können dabei helfen, Personen mit hohem Risiko für Rezidivthrombosen zu identifizieren, die von einer Langzeit-Antikoagulation profitieren könnten (Baiges et al.). Immun-Checkpoint-Inhibitoren (ICI) können eine schwere immunvermittelte Hepatitis verursachen. Eine aktuelle prospektive Studie legt nahe, dass eine erneute Behandlung mit ICI durchaus eine praktikable Option sein kann, selbst mit dem gleichen ICI. Bei bis zu 65% der Patient*innen trat bei erneuter Behandlung keine Leberschädigung auf (Riveiro-Barciela et al.).
Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre und einen schönen Sommer!
Ihre
Christoph Neumann-Haefelin und Peter Hasselblatt
Klinik für Innere Medizin II, Universitätsklinikum Freiburg
Christoph Neumann-Haefelin
Peter Hasselblatt