Leber und Gallenwege
Hepatology. 2023;77(5):1746–56
Outcome of untreated low-level viremia versus antiviral therapy-induced or spontaneous undetectable HBV DNA in compensated cirrhosis
Klinischer Verlauf einer unbehandelten niedrig-replikativen Virämie im Vergleich zu einer durch eine antivirale Therapie oder spontan nicht nachweisbaren HBV-DNA bei kompensierter Zirrhose
Die klinischen Verläufe bei Hepatitis-B-Virus (HBV)-assoziierter kompensierter Zirrhose mit niedrig-replikativer Virämie im Vergleich zu einer spontanen oder therapieinduzierten HBV-DNA-Negativität sind unklar. In dieser großen, multiethnischen, multizentrischen Studie wurde der natürliche Verlauf der niedrig-replikativen Virämie im Vergleich zu einer anhaltenden HBV-DNA-Negativität bei kompensierter Zirrhose untersucht. Patient*innen mit HBV-assoziierter kompensierter Zirrhose (n = 2316) aus 19 Krankenhäusern in Südkorea, Singapur und Japan wurden eingeschlossen. In die Gruppe mit niedrig-replikativer Virämie wurden unbehandelte Patient*innen mit ≥ 1 nachweisbaren Serum-HBV-DNA (20–2000 IU/ml) eingeteilt, in die Gruppe mit spontaner anhaltender HBV-DNA-Negativität unbehandelte Patient*innen mit nicht nachweisbarer HBV-DNA (< 20 IU/ml) und in die Gruppe mit therapieinduzierter HBV-DNA-Negativität Patient*innen, die unter antiviraler Therapie eine nicht nachweisbare HBV-DNA (< 20 IU/ml) hatten. Studienendpunkte waren hepatozelluläres Karzinom (HCC) oder Leberdekompensation. Die jährliche HCC-Inzidenz betrug 2,7 pro 100 Personenjahre bei niedrig-replikativer Virämie (Gruppe 1, n = 742), 2,6 pro 100 Personenjahre bei spontaner anhaltender HBV-DNA-Negativität (Gruppe 2, n = 333) und 3,3 pro 100 Personenjahre bei therapieinduzierter HBV-DNA-Negativität (Gruppe 3, n = 1241) (p = 0,81 zwischen Gruppe 1 und Gruppe 2 bzw. p = 0,37 zwischen Gruppe 1 und Gruppe 3). Auch die jährliche Dekompensationsinzidenz war bei den 3 Gruppen vergleichbar mit 1,6 pro 100 Personenjahre (Gruppe 1), 1,9 pro 100 Personenjahre (Gruppe 2) bzw. 1,6 pro 100 Personenjahre (Gruppe 3) (p = 0,40 zwischen Gruppe 1 und Gruppe 2 bzw. p = 0,83 zwischen Gruppe 1 und Gruppe 3). Multivariable Analysen ergaben, dass die HCC- und Dekompensationsrisiken in allen 3 Gruppen vergleichbar waren (alle p > 0,05). Propensity-Score-Matching ergab ebenfalls ähnliche Ergebnisse für HCC- und Dekompensationsrisiken (alle p > 0,05 zwischen Gruppe 1 und Gruppe 2 sowie zwischen Gruppe 1 und Gruppe 3).
Eine unbehandelte niedrig-replikative Hepatitis-B-Virus (HBV)-Infektion bei kompensierter Zirrhose ist im Vergleich zu spontaner oder therapieinduzierter HBV-DNA-Negativität nicht mit einem erhöhten Risiko einer Krankheitsprogression verbunden. Diese Daten haben wichtige Implikationen für die Praxis und die weitere Forschung.