Ausgabe
1/2023
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Editorial

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

auch in diesem Heft haben wir zahlreiche neue Entwicklungen in der Gastroenterologie und Hepatologie für Sie zusammengefasst, die wesentliche Auswirkungen auf das Management unserer Patient*innen haben dürften.

Im Krankenhausalltag wird häufig bei der Versorgung von Patient*innen mit oberer gastrointestinaler (OGI)- Blutung die Frage diskutiert, zu welchem Zeitpunkt eine Endoskopie durchzuführen ist. Eine mögliche Antwort liefert die Studie von Guo et al.. Bei akuter nicht-variköser OGI-Blutung waren in einer retrospektiven Kohortenstudie die Krankheitsverläufe schlechter, wenn die Endoskopie nicht im Zeitfenster zwischen 6 und 24 Stunden nach Aufnahme, sondern früher oder im Zeitraum zwischen 24 und 48 Stunden durchgeführt wurde. [...]

Bei Rezidivblutungen nach konventioneller endoskopischer Therapie kann die Blutstillung mithilfe von Over-The-Scope-Clips (OTSC) erfolgen. Eine randomisierte Studie belegt nun, dass die OTSC-Therapie auch in ausgewählten Fällen mit hohem Rezidivblutungsrisiko als Primärtherapie einer endoskopischen Standardtherapie signifikant überlegen ist (Meier et al.). Mit Agonisten des Glucagon-like Peptid-1 (GLP-1) stehen sehr wirksame medikamentöse Therapieoptionen zur Behandlung der Adipositas zur Verfügung. So konnten in einer Phase-III-Studie durch eine wöchentliche Injektion des GLP-1-Analogons Tirzepatid eine deutliche und anhaltende Reduktion des Körpergewichts und eine Besserung kardiovaskulärer Endpunkte erzielt werden (Jastreboff et al.).

Zur Behandlung chronisch entzündlicher Darmerkrankungen stehen neue Medikamente und Biologika zur Verfügung, was Fragen nach sinnvollen Therapiealgorithmen aufwirft. In der SEAVUE-Studie konnte bei Patient*innen mit Morbus Crohn gezeigt werden, dass eine Therapie mit dem Interleukin (IL)-12/IL-23-Antikörper Ustekinumab im direkten Vergleich zum Anti-TNF-Antikörper Adalimumab mit vergleichbarer Wirksamkeit und Geschwindigkeit eine Remission induzieren kann (Sands et al.). Zudem steht mit dem IL-23-Antikörper Risankizumab in Kürze eine weitere gut verträgliche und wirksame Behandlungsoption für M. Crohn zur Verfügung (D’Haens et al.). Zur Behandlung der Colitis ulcerosa kann durch den präferenziellen JAK1-Inhibitor Upadacitinib im Vergleich zu Placebo sehr schnell und wirksam eine Remission induziert werden (Danese et al.).

Zur Behandlung der nekrotisierenden Pankreatitis hat sich in der Klinik die endoskopische Therapie durchgesetzt. Die langfristige Nachbeobachtung einer Studienkohorte mit superinfizierter nekrotisierender Pankreatitis, die endoskopisch bzw. minimalinvasiv chirurgisch behandelt worden war, ergab keine Unterschiede im Hinblick auf Mortalität und schwere Komplikationen. Eine endoskopische Therapie war langfristig jedoch mit einer geringeren Rate pankreatikokutaner Fisteln und weniger Folgeeingriffen assoziiert (Onnekink et al.).

Prädiktoren für den Langzeitverlauf einer Autoimmunhepatitis sind bisher unzureichend definiert. Eine aktuelle multizentrische Studie zeigt, dass eine niedrige Aspartataminotransferase (AST) unter Therapie (nach 6, 12, 24 oder 36 Monaten), nicht jedoch ein normalisiertes Immunglobulin G, mit einem günstigen Verlauf assoziiert ist (Biewenga et al.). Eine Nabelhernienoperation führt bei Patient*innen mit fortgeschrittener Leberzirrhose häufig zur hydropischen Dekompensation. Eine aktuelle Studie deutet darauf hin, dass die Anlage eines transjugulären intrahepatischen portosystemischen Shunts (TIPS) in dieser Konstellation von Vorteil sein könnte (Malik et al.). Eine aktuelle Metaanalyse zur Surveillance auf ein hepatozelluläres Karzinom (HCC) bei Patient*innen mit Zirrhose bestätigt, dass dieses Vorgehen bezüglich Diagnose im Frühstadium, kurativer Therapie sowie Überleben einen klaren Vorteil bringt (Singal et al.). Eine weitere Studie zur Verkürzung des Überwachungsintervalls von 6 Monaten auf 3 Monate bei Patient*innen mit hohem HCC-Risiko zeigt jedoch, dass diese besonders intensive Surveillance keinen zusätzlichen Nutzen hat (Pelizzaro et al.).

Wir wünschen Ihnen trotz der vielfältigen bedrohlichen Entwicklungen in der Weltpolitik ein frohes und erfolgreiches neues Jahr. Bleiben Sie gesund und zuversichtlich!

Ihre

Christoph Neumann-Haefelin und Peter Hasselblatt
Klinik für Innere Medizin II, Universitätsklinikum Freiburg

Christoph Neumann-Haefelin

Peter Hasselblatt

Aktuelles aus der Literatur in dieser Ausgabe

Risikofaktoren und Verläufe im Zusammenhang mit Autoimmunhepatitis-Rezidiven nach Lebertransplantation

J Hepatol. 2022;77(1):84–97

Aminotransferasen während der Therapie sagen langfristiges Überleben von Patient*innen mit Autoimmunhepatitis Typ 1 voraus: eine Meilenstein-Analyse

Clin Gastroenterol Hepatol. 2022;20(8):1776–83.e4

Eine randomisierte, unverblindete, 52-wöchige Phase-II-Studie mit Seladelpar bei Patient*innen mit primär biliärer Cholangitis

J Hepatol. 2022;77(2):353–64

Charakteristika und Überleben von Patient*innen mit primär biliärer Cholangitis und hepatozellulärem Karzinom

Dig Liver Dis. 2022;54(9):1215–21

Eine revidierte elektronische Version der Roussel-Uclaf-Kausalitätsbewertungs-Methode (RUCAM) für die Diagnose eines medikamenteninduzierten Leberschadens (DILI)

Hepatology. 2022;76(1):18–31

Keimbahnmutationen in CIDEB und Schutz vor Lebererkrankungen

N Engl J Med. 2022;387(4):332–44

Fazirsiran zur Therapie einer Lebererkrankung bei Alpha-1-Antitrypsin-Mangel

N Engl J Med. 2022;387(6):514–24

Assoziation zwischen Protonenpumpeninhibitoren und wichtigen leberbedingten Ereignissen bei Patient*innen mit Zirrhose: eine Veterans-Affairs-Kohortenstudie

Gastroenterology. 2022;163(1):257–69.e6

Überwachung auf ein hepatozelluläres Karzinom verbessert frühe Diagnose, kurativen Behandlungserfolg und Überleben bei Patient*innen mit Zirrhose: eine Metaanalyse

J Hepatol. 2022;77(1):128–39