Ausgabe
3/2024
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Editorial

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

die Entwicklung und Validierung von Biomarkern für die Krankheitsprognose und das Therapieansprechen ist eine wesentliche Voraussetzung für Ansätze einer personalisierten Medizin in der Gastroenterologie. Bei Morbus Crohn hat die erste prospektive Studie (PROFILE) eines vielversprechenden Biomarkers zur Genexpression in zytotoxischen T-Zellen im peripheren Blut zwar ergeben, dass der verwendete Biomarker im klinischen Alltag nutzlos ist; die Studie konnte aber eindrucksvoll belegen, dass nach Erstdiagnose eines Morbus Crohn eine frühe Kombinationstherapie aus Infliximab und einem Thiopurin (Top down) einer herkömmlichen bedarfsweisen Therapieeskalation (Step up) ganz deutlich überlegen ist (Noor et al.). Möglicherweise lassen sich aber über Biomarker aus Stuhluntersuchungen Hinweise auf ein Therapieansprechen ableiten. Anhand der Charakterisierung von Dysbiose, Stuhlfeuchtigkeit und Calprotectin ließ sich in einer prospektiven Kohorte von Patient*innen mit chronisch entzündlicher Darmerkrankung das Therapieansprechen auf Biologika mit einer Genauigkeit von 73,9% vorhersagen (Caenepeel et al.). Aber auch bei akuter Pankreatitis werden dringend Biomarker für die frühe Vorhersage des Krankheitsverlaufs benötigt. Auch hier scheint die Darmflora eine Rolle zu spielen – so konnte in einer multizentrischen Studie die Zusammensetzung der oro-intestinalen Mikrobiota den Schweregrad einer akuten Pankreatitis besser vorhersagen als herkömmliche Risiko-Scores. Insbesondere kurzkettige Fettsäuren könnten für künftige diagnostische und therapeutische Ansätze von Relevanz sein (Ammer-Herrmenau et al.) [...]

 

Bei maligner Magenentleerungsstörung steht mit der endosonografisch-gesteuerten Gastroenterostomie (GE) mittels „Lumen-apposing Metallstents“ (LAMS) eine gute Alternative zur Einlage von Duodenalstents zur Verfügung. Im Rahmen einer multizentrischen randomisierten Studie konnte nun gezeigt werden, dass die GE mittels LAMS in Bezug auf Stentdurchgängigkeit, Nahrungsaufnahme und Anzahl von Folgeinterventionen signifikant besser abschneidet und daher in entsprechend spezialisierten Zentren bevorzugt eingesetzt werden sollte (Teoh et al.). Die medikamentösen Therapieoptionen bei Reizdarmsyndrom (RDS) sind weiterhin eingeschränkt, und von vielen Betroffenen werden die Beschwerden mit einer „Histamin-Unverträglichkeit“ in Zusammenhang gebracht. Vor diesem Hintergrund ist es interessant, dass in einer randomisierten Studie an Patient*innen mit RDS ohne Verstopfung eine Behandlung mit dem Antihistaminikum Ebastin signifikant wirksamer war als Placebo (Decraecker et al.).

Klimawandel und CO2-Emissionen bestimmen ganz wesentlich unser aller Alltag. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, welchen ökologischen Fingerabdruck die Tätigkeit in der interventionellen Endoskopie hinterlässt. Diese Frage wurde in zwei Arbeiten untersucht (Henniger et al. und Desai et al.). Es überrascht nicht, dass ein rationaler Umgang mit Geräten und Ressourcen sowie mit Verpackungsmüll zu einer signifikanten Verbesserung der Umweltbilanz führen kann und künftig stärker berücksichtigt werden sollte.

Bei der primär biliären Cholangitis (PBC) wird meist ein Abfall der alkalischen Phosphatase (ALP) auf weniger als das 1,5-Fache der Obergrenze des Normalbereichs als adäquates Therapieansprechen gewertet. Eine aktuelle, große internationale Kohortenstudie zeigt jedoch, dass insbesondere Patient*innen mit fortgeschrittener Fibrose und/oder relativ jungem Alter deutlich von einer kompletten Normalisierung der ALP profitieren. Für diese Patient*innen sollte daher gegebenenfalls eine Therapieergänzung in Betracht gezogen werden (Corpechot et al.). Auch bei der Autoimmunhepatitis verdeutlichen aktuelle Ergebnisse die Relevanz eines kompletten Therapieansprechens: Daten aus dem retrospektiven Register der International Autoimmune Hepatitis Group (IAIHG-RR) zeigen, dass ein fehlendes vollständiges biochemisches Therapieansprechen einen wesentlichen ungünstigen Prognosefaktor darstellt (Slooter et al.). Für die nicht-alkoholische Steatohepatitis (NASH) bzw. nach neuer Nomenklatur metabolische Dysfunktion-assoziierte Steatohepatitis (MASH) wurde in den USA erstmals ein spezifisches Medikament zugelassen. Resmetirom ist ein oraler, auf die Leber wirkender beta-selektiver Agonist des Schilddrüsenhormonrezeptors. In einer randomisierten, kontrollierten Phase-III-Studie war Resmetirom dem Placebo sowohl hinsichtlich der Auflösung der MASH als auch hinsichtlich der Verbesserung der Leberfibrose überlegen (Harrison et al.).

Wir hoffen sehr, dass diese kleine Auswahl von Arbeiten Ihr Interesse für eine vertiefende Lektüre dieser und der anderen in dieser Ausgabe zusammengefassten Publikationen geweckt hat und wünschen Ihnen viel Freude bei der Lektüre sowie frohe und friedliche Sommertage!

Ihre
Christoph Neumann-Haefelin und Peter Hasselblatt
Klinik für Innere Medizin II, Universitätsklinikum Freiburg

Christoph Neumann-Haefelin

Peter Hasselblatt

Aktuelles aus der Literatur in dieser Ausgabe

Der Effekt einer erwarteten gegenüber einer tatsächlichen Glutenaufnahme auf gastrointestinale und extraintestinale Symptome bei Nicht-Zöliakie-Glutensensitivität: eine randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte, internationale, multizentrische Studie

Lancet Gastroenterol Hepatol. 2024;9(2):110–23

Systematische Überprüfung mit Metaanalyse: ursachenspezifische und Gesamtmortalitätstrends bei verschiedenen Zöliakie-Phänotypen

Aliment Pharmacol Ther. 2024;59(5):592–605

Omalizumab zur Behandlung multipler Nahrungsmittelallergien

N Engl J Med. 2024;390(10):889–99

Krankenhausaufenthalte durch das Cannabis-Hyperemesis-Syndrom in Massachusetts nach der Legalisierung von Cannabis: steigende stationäre Inanspruchnahme und Kosten

J Clin Gastroenterol. 2024;58(3):247–52

Antireflux-Chirurgie im Vergleich zur medikamentösen Therapie im Hinblick auf das Risiko eines Adenokarzinoms der Speiseröhre bei Patient*innen mit Barrett-Ösophagus

Gastroenterology. 2024;166(1):132–8.e3

Kurz wirksame Glucagon-like-Peptid-1-Rezeptoragonisten bei Diabetes mellitus Typ 2 und das Risiko für eine gastroösophageale Refluxerkrankung: Ergebnisse einer populationsbasierten retrospektiven Kohortenstudie

Gut. 2024;73(2):246–54

Rolle der Dosierung und Therapiedauer von Protonenpumpeninhibitoren bei der Eradikation von Helicobacter pylori: Ergebnisse des Europäischen Registers zum H. pylori-Management

United European Gastroenterol J. 2024;12(1):122–38

Helicobacter-pylori-Behandlung und Magenkrebsrisiko nach endoskopischer Resektion der Dysplasie: eine landesweite Kohortenstudie

Gastroenterology. 2024;166(2):313–22.e3

Wirksamkeit von Dupilumab in der täglichen Praxis bei Patient*innen mit schwerem, therapierefraktärem und fibrostenotischem Verlauf einer eosinophilen Ösophagitis

Clin Gastroenterol Hepatol. 2024;22(2):252–8